Sequenz 5: Was soll ich tun? Was sollen wir tun?

Living Democracy » Textbooks » Sequenz 5: Was soll ich tun? Was sollen wir tun?

Freiheit und Verantwortung

Die folgende Übersicht unterstützt die Lehrperson bei der Planung und Durchführung der Sequenz.
Kompetenztraining benennt die Kompetenzen, welche die Lernenden in dieser Sequenz trainieren (Analyse-, Urteils-, Handlungs- und Methodenkompetenzen).
Das Erkenntnisziel beschreibt die inhaltlichkognitive Dimension des Lernertrags.
Aufgaben und Methoden dienen der Gestaltung des Lernprozesses.
Medien und Hilfsmittel bieten eine Checkliste für die technisch-organisatorische Vorbereitung.
Die Richtwerte zum Zeitbudget unterstützen das Zeitmanagement.
Erkenntnisziel Kompetenztraining

Erkenntnisziel der Einheit: Die Lernenden können Verantwortung auf der Mikro- und der Makroebene übernehmen. Verantwortung übernehmen geschieht im Handeln. Die Lernenden können nicht nur zur Lösung des Problems der Konfliktmineralien beitragen, sie stärken auch die Demokratie in der Lösung von Zukunftsproblemen.

Urteilsbildung, Argumentieren

Aufgaben Die Lernenden

– reorganisieren die Information in Handout 2.2;
– beurteilen die Forderung von Jonas nach einer „wohlwollenden Tyrannis“ und seine Demokratiekritik:
– ziehen Konsequenzen für ihr Handeln;
– geben Feedback zur Einheit und reflektieren ihren Lernertrag.

Medien und Hilfsmittel Handout 2.2, 2.4 (Klassensatz).
Methoden Einzelarbeit, Plenumsdiskussion, Feedback.
Zeitbudget Einzelarbeit: Auswertung von Handout 2.2.
Diskussion: Urteilsbildung zur Position von Jonas.
Diskussion: Persönliche Schlussfolgerungen.
Feedback und Reflexion des Lernertrags.

Vorbemerkung

In dieser abschließenden Sequenz setzen sich die Lernenden mit dem Spannungsverhältnis zwischen ihrer persönlichen Freiheit und ihrer Verantwortung für die Folgen ihres Handelns auseinander.

Im Sinne der persönlichen Handlungsfreiheit fragen die Lernenden nach den praktischen Konsequenzen, die sie ziehen wollen. Sie wählen aus unter den Möglichkeiten, die sie in der vorigen Sequenz erarbeitet haben, oder sie verwerfen vielleicht auch alle. Ihre Begründungen und Kriterien können heterogen ausfallen.

Bliebe es bei dieser Perspektive allein, droht die Wahrnehmung persönlicher Freiheit ins Beliebige oder Unverbindliche umzuschlagen. Das Prinzip der Verantwortung gab den Anstoß zu dieser Einheit. Mit diesem Prinzip sollten sich die Lernenden auseinandersetzen, wenn sie von ihrer Handlungsfreiheit Gebrauch machen wollen.

Der Rückgriff auf „Das Prinzip Verantwortung“ und Habecks differenzierte Kritik kann den Lernenden einen Impuls geben, der den Horizont des exemplarischen Zugriffs dieser Einheit überschreitet und die Handy-Diskussion mit den Problemen der Nachhaltigkeit bis hin zur Bewältigung der Folgen des Klimawandels verknüpft. Es eröffnet sich auch eine weitere Dimension: eine drohende Legitimationskrise der Demokratie.

1. Was bedeutet das „Prinzip Verantwortung“?

Die Lernenden lesen Handout 2.2. Als Lesehilfe dienen Auswertungsfragen wie die folgenden:

  1. Arbeite heraus,
    a) wie Jonas seine Forderung nach einer „wohlwollenden Tyrannis“ begründet und weshalb er 1993 davon abrückt.
    b) Worin nach Manfred Schmidts Meinung „Prozessdefekt“ der Demokratie besteht.
    c) Wie Habeck begründet, dass wir Jonas‘ Forderung nicht folgen müssen.
  2. „Wie wir unseren gegenwärtigen und zukünftigen Interessen am besten dienen, muss im demokratischen Diskurs stets neu ausgehandelt werden.“ Erkläre was Habeck mit diesem Satz meint.

Die Lernenden bearbeiten diese Aufgaben schriftlich in Einzelarbeit. Sie vergleichen ihre Ergebnisse in Partnerarbeit und teilen sie anschließend im Plenum. Sie speichern und präsentieren ihr gemeinsames Ergebnis (analog oder digital). Die Lehrperson oder zwei Lernende moderieren die Auswertung und Ergebnissicherung im Plenum.

Es zeigt sich, dass der Schlüssel zur Lösung der Zukunftsprobleme der Menschheit – dazu gehört auch das Management der global vernetzten Lieferketten – im politischen System liegt: Ist eine freiheitliche Demokratie diesen Herausforderungen gewachsen oder braucht es einen Systemwechsel zu einer autoritären Lösung?

2. Urteilsbildung

Die Lernenden diskutieren über die Frage: Wem geben wir Recht – Jonas‘ Forderung nach einer „wohlwollenden Tyrannis“ oder Habecks Kritik?

Die Lernenden können zusammentragen, was für die autoritäre bzw. die demokratische Lösung spricht:

Für die autoritäre Lösung spricht:

  • Der notwendige Wohlstands- und Freiheitsverzicht mit Zwang durchgesetzt werden muss.
  • Der „Prozessdefekt“ der Demokratie (Schmidt) bestätigt Jonas‘ Kritik an der Zukunftsblindheit demokratischer Entscheidungsprozesse.

Gegen die autoritäre Lösung spricht:

  • Es gibt kein Beispiel eines „wohlwollenden Tyrannen“. Unkontrollierte Macht wird missbraucht. Jonas selbst ist von seiner Forderung abgerückt, als er erkannte, dass sein Glauben an die kommunistischen Parteien in der UdSSR, DDR usw. auf eine Illusion war.
  • Jeder Alleinherrscher wäre mit der Lösung unserer Zukunftsprobleme überfordert (vgl. Ha-beck).
  • Jonas‘ Forderung nach einer autoritären Lösung beruht auf einem Konstrukt, die Natur als eigenständiges Wesen zu betrachten, dem wir uns unterordnen müssen. Diese Vorstellung des Verhältnisses von Mensch und Natur führt zu autoritären Lösungen.
  • Schmidt fordert keine autoritäre Lösung, sondern er macht die Zukunftsblindheit zum Problem der Bürgerinnen und Bürger.

Folgende Schlussfolgerung liegt nahe:

  • Es spricht nichts dafür, eine gute Lösung unserer Zukunftsprobleme von einem autoritären Regime zu erwarten. Eher dürfte dieser Weg in die Katastrophe führen.
  • Es liegt an uns, ob wir die fatale Tendenz in der Demokratie überwinden, kurzfristige Gegenwartsprobleme gegen die Lösung von Zukunftsproblemen auszuspielen. Darin liegt unsere Verantwortung. Wir müssen miteinander „aushandeln“, wie „wir unseren gegenwärtigen und zukünftigen Interessen am besten dienen“. Dazu gehört „die Natur so zu behandeln, dass für alle Menschen heute und in Zukunft ein Leben in Freiheit und Würde möglich wird.“ Damit schlägt Habeck vor, das Nachhaltigkeitsprinzip – global und zukunftsbezogen gedacht – zur gemeinsamen Wertorientierung unserer Aushandlungsprozesse zu machen.
  • Jeder und jede Einzelne aufgefordert, nicht nur Verantwortung für die Lösung unserer Gegenwarts- und Zukunftsprobleme zu übernehmen, sondern auch für unsere Demokratie – indem wir uns einbringen und an den politischen Auseinandersetzungen beteiligen.

3. Was tue ich – Was tun wir?

Die Lehrperson kann die Lernenden zur Orientierung darauf hinweisen, dass sie sich nun dem dritten Schritt des Entscheidungszyklus zuwenden können. Die ersten beiden Sequenzen konzentrierten sich auf die Frage „Was ist?“ und arbeiteten das Problem der Konfliktmineralien aus der DRK, die ihren Weg in die Handy-Lieferketten finden. Die dritte und vierte Sequenz fokussierte auf den zweiten Schritt: „Was ist möglich?“, und die Gruppen arbeiteten die Handlungsmöglichkeiten auf der Mikro- und Makro-Ebene heraus.

Nun geht es um die dritte Frage: „Was tue ich? – Was tun wir?“ Oder anders gefragt: Welche der Handlungsmöglichkeiten wähle ich – wählen wir – um unserer Verantwortung gerecht zu werden?

Die Lernenden können sich dieser Frage nähern, indem sie zunächst die Prämissen bestimmen, unter denen ihre Entscheidung steht. Es handelt sich um ein Sachurteil, so dass weitgehende Über-einstimmung möglich ist. Die Lehrperson moderiert den Denkprozess, unterstützt ihn falls notwendig durch Impulse und hält die Kernaussagen fest (analog oder digital). Dieses Urteil kann lauten wie folgt:

  • Die kritische Auseinandersetzung mit dem „Prinzip Verantwortung“ von Hans Jonas hat gezeigt, dass wir nicht nur dafür mitverantwortlich für den Umgang mit Konfliktmineralien sind, sondern auch für die Zukunft der Demokratie.
  • Es liegt an uns, ob sich etwas zum besseren entwickelt.
  • Wir haben auch gesehen, dass Verantwortung zu übernehmen bedeutet, zu handeln, etwas zu tun, das wir ethisch vertreten können – und nicht etwa sich vor einer Entscheidung zu drücken. Nur dann können wir etwas beitragen zum Problem der Konfliktmineralien, und nur dann können wir in unserer Gesellschaft die Bereitschaft stärken, sich Zukunftsproblemen zu stellen.
  • Wenn wir mit Anderen kooperieren, können wir die Folgen unseres Handelns besser abschätzen, als wenn wir auf uns allein gestellt sind.4
  • Wir können – bzw. sollten – uns entscheiden, von welchen Handlungsmöglichkeiten wir auf der Mikro- und/oder der Makro-Ebene Gebrauch machen.

(Vgl. dazu das Erkenntnisziel zu dieser Sequenz).

Falls die Lernenden dazu bereit sind, können sie sich über ihre Entscheidungen austauschen. Es ist möglich, dass einige Lernende erst Zeit zum Nachdenken benötigen, nachdem die Frage nach ihrer Entscheidung zugespitzt wurde. Auch „eine Murmelphase“ kann hilfreich sein.
Anschließend informieren die Lernenden einander über ihre Auswahl unter den Handlungsoptionen und begründen sie. Sie können die Optionen auflisten und durch Strichlisten die Entscheidungen hinzufügen. Die Lehrperson achtet darauf, dass die Lernenden respektvoll miteinander umgehen. Dann ist es möglich und von großem Interesse zu erfahren, weshalb die Lernenden zu unterschiedlichen Entscheidungen gelangen.

4. Abschlussreflexion: Was haben wir gelernt?

Handout 2.4 enthält Impulsfragen zur Reflexion über den Lernprozess. Folgende Verfahren sind möglich:

  • Die Lernenden beantworten die Fragen schriftlich. Sie tauschen sich anschließend untereinander in Gruppen aus. Sie können der Lehrperson ihr Feedback zur Verfügung stellen.
  • Eine Auswahl der Fragen auf dem Handout dient als Impulsgeber für ein Klassengespräch.
  • Falls wenig Zeit zur Verfügung steht, beantworten die Lernenden die erste Frage im Blitzlichtverfahren.

Die Fragen nach den Dingen, die die Lernenden besser verstehen möchten oder als nächstes angehen wollen, können den Anstoß für ein Planungsgespräch geben. Daraus können Themenwünsche für den weiteren Unterricht oder Projektideen hervorgehen.