8.4 Ein Brainstorming zu Konflikt und Frieden

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Ziele

Die Lernenden können die Konzepte des Konflikts und des Friedens definieren.

Sie können Typen eines Konflikts voneinander abgrenzen und die unterschiedlichen Chancen der Konfliktlösung erklären.

Die Lernenden begreifen das friedensstiftende Potenzial der Menschenrechte, die sich nur in einer Zivilgesellschaft entfalten kann, in der sich möglichst Mitglieder Verantwortung übernehmen, eine politische Kultur im Sinne der Menschenrechte zu stärken.

Material

A4-Bögen, zerschnitten in Streifen, lösbarer Klebstoff oder Klettband

Flipchartbögen, Marker.

Hinweis

Das Brainstorming-Verfahren kann viel Zeit beanspruchen. Das Think-group-share-Verfahren ermöglicht, die Menge der Beiträge zu straffen. Die Lehrperson kann die Anzahl der Beiträge pro Lernende begrenzen und sie dazu anhalten, sich auf die ihrer Meinung nach wichtigsten Aspekte zu konzentrieren.

Das hier beschriebene Metaplan-Verfahren ermöglicht es den Lernenden, ihre Vorkenntnisse, Perspektiven und Wertungen zu rekapitulieren und im Plenum zu sammeln. Im vorliegenden Beispiel liefert das Brainstorming einen induktiven Zugang zur Typologie von Konflikten (vgl. die Einleitung zu diesem Kapitel).

Verfahren

Brainstorming (Einzelarbeit)
  1. Die Lernenden erhalten je fünf Papierstreifen und einen Marker. Weitere Streifen liegen bereit.
  2. Die Lehrperson gibt einem Flipchartbogen die Überschrift „Konflikt“. Der Auftrag für die Lernenden zum Brainstorming lautet, Begriffe zum Konzept des Konflikts zu sammeln (Einzelarbeit, Stillarbeit). Auf jeden Streifen schreiben sie einen Begriff und versorgen sich je nach Bedarf mit weiteren Streifen. Die Lehrperson kann die Anzahl der Streifen begrenzen.
  3. In einem weiteren Schritt sammeln sie Begriffe, die Konfliktsituationen bezeichnen.
  4. Nach etwa 10 Minuten findet ein weiteres Brainstorming nach dem gleichen Verfahren zum Konzept „Frieden“ statt.
Auswertung des Brainstormings in der Klasse
  1. Die Lernenden bilden Vierergruppen. Sie legen ihre Beiträge nebeneinander und suchen nach Redundanzen, also Mehrfachnennungen eines Begriffs. Sie behalten einen Streifen, notieren da-rauf die Anzahl der Nennungen (z.B. „3x“ und legen die übrigen beiseite. Sie wählen insgesamt maximal zehn Begriffe aus. Sie bestimmen eine Sprecherin oder Sprecher für ihre Gruppe.
  2. Im Plenum stellen die Gruppensprecher bzw. -sprecherinnen nacheinander ihre Beiträge zum Konzept des Konflikts vor und erläutern sie kurz. Sie heften die Streifen auf das Flipchart und ordnen ihre Beiträge je nach Inhalt denen der anderen Gruppen zu (Cluster-Bildung) und versehen sie mit Überschriften. Auf diese Weise entsteht ein strukturierter Metaplan. Falls nötig, bewegen sie einzelne Beiträge und Cluster.
  3. In der gleichen Weise verfahren sie beim Konzept des Friedens.
Analyse der Ergebnisse
  1. Die Lernenden werten ihr Brainstorming unter einer Fragestellung aus, die als Schülerimpuls oder Impuls der Lehrperson eingebracht werden kann:
    • Welche Konflikte oder Konfliktsituationen lassen sich durch einen Kompromiss lösen, und welche nicht?
    • Gibt es Konflikte, die nicht lösbar zu sein scheinen?
    • Ergeben sich aus Aspekten des Friedenskonzepts Möglichkeiten zur Lösung bestimmter Konflikte? Die Lernenden werten ihr Brainstorming unter einer Fragestellung aus, die als Schülerimpuls oder Impuls der Lehrperson eingebracht werden kann:.
  2. Die Lehrperson gibt einen Input (Vortrag oder Arbeitsauftrag mit Handout), der den Lernenden hilft, die aufgeworfenen Fragen zu beantworten:
    • Konflikte lassen sich nur dauerhaft lösen, wenn keine Verlierer zurückbleiben, die Lösung also von allen Seiten als fair anerkannt wird. Eine Kompromisslösung ist fair, wenn Vorteile und Einbußen oder Zugeständnisse ausgewogen auf alle Beteiligten verteilt sind. Das kann gelingen, wenn es im Konflikt darum geht, eine knappe Ressource fair zu verteilen und die Interessen aller zu berücksichtigen. Vgl. dazu das Lernszenario 8.1.
    • Konflikte lassen sich in drei Typen unterteilen (die „drei I’s“): Interessenkonflikte, ideologische Konflikte.
    • Interessen– oder Verteilungskonflikte lassen sich durch einen Kompromiss lösen, nach dem Grundsatz, dass jeder und jeder ein gleich großes oder kleines Stück vom Kuchen abbekommt.
    • Ideologische Überzeugungen, Glaube oder Wertorientierungen sind dagegen nicht verhandelbar. Eine ethnischnationale „Leitkultur“ beinhaltet die Unterdrückung ganzer Menschengruppen. Eine Lösung ideologischer Konflikte ist nur möglich im Dialog, in dem die Ge-sprächspartner nach gemeinsam geteilten Werten oder Grundüberzeugungen suchen, etwa die von allen großen Weltreligionen geteilte „Goldene Regel“: Verhalte dich gegenüber anderen Menschen so wie du selbst behandelt werden möchtest. Diese Regel allein hätte wohl das Potenzial, die Welt in einen friedlicheren Ort zu verwandeln (vgl. dazu z.B. das Projekt Weltethos).
    • Falls ein Konflikt die Identität von Menschen berührt, können z.B. Fremdenhass, Rassismus oder Antisemitismus dem Konflikt eine destruktive, gewalttätige Dynamik verleihen. Es droht die Vertreibung oder physische Vernichtung von Menschen oder ganzer Gruppen. Der Konflikt ist, wenn überhaupt, nur mit größten Schwierigkeiten lösbar.
    • Die Menschenrechte bieten die Chance, ideologische und identitätsbezogene Konflikte zu lösen. Sie begründen das Prinzip der Meinungs- und Glaubensfreiheit, und der Grundsatz der Gleichberechtigung enthält das Verbot der Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Identität, u.a. ihres Geschlechts und ihrer sexuellen Orientierung, hier Hautfarbe, ihrer ethnischen und sozialen Herkunft, ihre religiösen Überzeugungen oder ihre Meinung. Die Menschenrechte nehmen nicht nur die Staaten in die Pflicht, mit den Mitteln des Rechtsstaats für die Einhaltung der Menschenrechte zu sorgen, sondern jeden und jede Einzelne von uns. Wir sind aufgefordert, uns im Geiste der Menschenrechte zu begegnen und die Menschenwürde des anderen anzuerkennen. In einer pluralistischen Gesellschaft müssen wir aushandeln, wie wir Mehrheits- und Minderheitsgruppen ermöglichen, friedlich zusammen zu leben. Die gemeinsame Mitte bilden die „unverletzlichen und unveräußerlichen Men-schenrechte als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.“ (Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Artikel 1 Absatz 2).

Transfer

Die Klasse recherchiert und bewertet aktuelle oder historische Fallspiele von Konflikten, Konfliktlösungen oder Versuchen der Friedensstiftung in oder zwischen Staaten. Die Lernenden

  • analysieren aktuelle Konflikte mit Hilfe der Typologie der „drei I’s“ sowie Chancen der Konfliktlösung;
  • bewerten Konfliktlösungen.

Literatur

Council of Europe (2016): Competences for Democratic Culture
https://www.living-democracy.com/de/competencies-for-democratic-culture/ (Abruf am 02.04.2021)

Offe, Claus (2003): „Homogeneity“ and Constitutional Democracy. Coping with Identity Conflicts through Group Rights. In: Ders.: Herausforderungen der Demokratie. Zur Integrations- und Leistungsfähigkeit politischer Institutionen. Frankfurt/New York, S. 151 – 181.
Projekt Weltethos https://www.weltethos.org/ (Abruf am 02.04.2021).