2 – Material 10: Kooperatives Lehren und kollegiales Feedback

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Die gemeinsame Planung von EDC/HRE-Sequenzen mit einer Kollegin oder einem Kollegen kann den Informationsaustausch und die Koordination unterstützen, ebenso wie die Entwicklung des Unterrichts und die Evaluation der Unterrichtsqualität77. Die kooperative Planung kann sich auf die gemeinsame Vorbereitung von Sequenzen und Einheiten beschränken oder aber zur gemeinsamen Umsetzung in der Klasse führen (Team-Teaching). In der Ausbildung von Lehrpersonen in zahlreichen europäischen Ländern spielt die kooperative Planung und Umsetzung von Sequenzen kaum eine Rolle. Zur Entwicklung Es braucht einen langen Atem, um eine kooperative Unterrichtskultur zu entwickeln, in der es für Lehrpersonen selbstverständlich wird, sich wechselseitig im Unterricht zu besuchen.

Es ist offensichtlich, dass viele Lehrpersonen zögern, mit einer Kollegin oder einem Kollegen enger zusammenzuarbeiten78. Fehlen etwa Modelle für eine gute kooperative Praxis? Scheuen Lehrpersonen den erhöhten Zeitaufwand? Oder zögern Lehrpersonen, sich gegenüber Kolleginnen und Kollegen zu exponieren und sich kritisch beurteilen zu lassen?

Die gemeinsame Planung und Umsetzung von EDC/HRE-Sequenzen muss nicht mehr Zeit beanspruchen, sondern kann Zeit einsparen, wenn gegenseitige Unterrichtshospitationen in Kleingruppen stattfinden. Dieses Vorgehen wird in folgenden näher beschrieben79.

Gruppengröße: Drei Lehrpersonen besuchen sich gegenseitig zweimal pro Halbjahr (jede Lehrperson wird zweimal besucht und macht vier Besuche, jeweils zu zweit).
Organisation: Die drei Lehrpersonen planen die Hospitationen gemeinsam und unbürokratisch an Hand ihrer Stundenpläne. Ein Mitglied im Team übernimmt die Aufgabe der Koordination und achtet auf die Durchführung der vereinbarten Hospitationen.
Bezug zum Schulfach: Die Lehrpersonen beobachten sich gegenseitig in ihren Klassen. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie das Unterrichtsfach auch selbst beherrschen.
Gruppenzusammensetzung: Die Mitglieder sollten sich gut kennen und einander vertrauen, um auch ein offenes Wort vertragen zu können.
Fokus der Beobachtung: Die Beobachtung sollte fokussiert sein, da die Interaktion der Lernenden untereinander und mit der Lehrperson zu komplex sind, um sie als Ganzes erfassen zu können. Der Fokus der Hospitation kann sich an den Interessen der Lehrperson oder der Besucher orientieren, z.B.:
a) Eine Lehrperson wünscht Rückmeldungen zu einer bestimmten Frage;
b) eine neue Methode oder Lernform wurde eingeführt und soll nun evaluiert werden;
c) pädagogische Leitlinien, die sich z.B. aus dem Programm oder Leitbild der Schule ergeben, sollen erprobt und evaluiert werden.
Rolle der Schulleitung: Sie registriert die Durchführung der Hospitationen, um sicher zu stellen, dass diese eine Untergrenze nicht unterschreiten. Sie enthält sich jeder Stellungnahme zu Fragen der Unterrichtspraxis..

Es gibt mehrere Gründe, die dafürsprechen, die gemeinsame Planung von EDC/HRE-Sequenzen durch wechselseitige Hospitationen und kollegiales Feedback zu ergänzen80. Wer die Kolleginnen und Kollegen in der Klasse beobachtet, gewinnt ein vertieftes Verständnis der eignen EDC/HRE-Praxis. aus. Hospitation und kollegiales Feedback helfen nicht nur der beobachteten Lehrperson, sondern auch den Beobachtern. Sie gewinnen entwickeln Instrument zur Diagnose und erhalten Anregungen, ihre Interaktionsformen und Methoden weiterzuentwickeln:

  • Das Lehren zu lernen unter Realbedingungen ist jedem hypothetischen oder simulierten, nicht authentisch erlebten Setting überlegen.
  • Zahlreiche Handlungsmuster sind außerhalb der Realbegegnung mit der Praxis kaum vermittelbar, z.B., so etwa Routinehandlungen, Körpersprache, Mimik, oder Kommunikationsverhalten.
  • Der Perspektivwechsel und der distanziertere Blick auf die Praxis eines Kollegen eröffnet zugleich einen klareren, reflektierteren Blick auf die eigene Unterrichtspraxis.
  • In der Beobachterrolle steht man außerhalb des Unterrichtsgeschehens und unterliegt keinem Handlungszwang. Beobachterinnen nehmen mehr und anders wahr als die interagierende Lehrperson, und sie können ihre Beobachtungen intensiver reflektieren.
  • Aus jeder Hospitation können die Beteiligten Anregungen für die eigene EDC/HRE-Praxis mitnehmen. Jede Lehrerpersönlichkeit bringt ihren je eigenen Erfahrungsschatz und Unterrichtsstil ein. Gemeinsam schaffen Kooperationspartnerinnen einen reichen Fundus an Ideen und Impulsen, die keine Lehrperson erhalten würde, die nach der Lehrerausbildung auf ihre eigene Praxiserfahrung angewiesen ist.
  • Unterrichtsbeobachtungen sowie die kooperative Planung und gemeinsame Reflexion von EDC/HRE-Sequenzen liefern Diskussionsanstöße zu didaktischen und methodischen Fragen an. Sie tragen zur Schulentwicklung bei, die bei der einzelnen Lehrperson beginnt.

77. Helmke, A. (2003): Unterrichtsevaluation: Verfahren und Instrumente. In: Schulmanagement, 1, S. 8-11.
78. Ebd.
79. Vgl. Klippert, H. (2000): Pädagogische Schulentwicklung. Planungs- und Arbeitshilfen zur Förderung einer neuen Lernkultur. Weinheim: Beltz.
80. Vgl. Leuders, T. (2001): Qualität im Mathematikunterricht der Sekundarstufe I und II. Berlin: Cornelsen.