2. Kinderrechte – ein Teil des Menschenrechtsprozesses

Living Democracy » Textbooks » 2. Kinderrechte – ein Teil des Menschenrechtsprozesses

Die Kinderrechtskonvention ist das weltweit von den meisten Ländern akzeptierte Menschenrechtsinstrument der Geschichte – es wurde von allen Ländern, ausser zwei, ratifiziert – und rückt daher die Kinder und ihre Rechte ins Zentrum der Bestrebungen für eine universelle Umsetzung der Menschenrechte. Durch die Ratifizierung dieses Instruments haben sich nationale Regierungen verpflichtet, Kinderrechte zu schützen und zu achten. Und sie haben sich gleichzeitig einverstanden erklärt, diese Verantwortung vor der internationalen Gemeinschaft zu vertreten.

Die Kinderrechtskonvention basiert auf verschiedenen kulturellen Traditionen und Rechtssystemen und ist eine universell anerkannte Sammlung von nicht verhandelbaren Pflichten und Standards. Sie legt, ohne Unterscheidung jeglicher Art, die fundamentalen Menschenrechte für alle Kinder weltweit fest.

  • Das Recht auf Überleben
  • Das Recht auf eine optimale Entwicklung
  • Das Recht auf Schutz vor schädlichen Einflüssen, Missbrauch und Ausbeutung
  • Das Recht, uneingeschränkt am Familien-, Kultur- und Sozialleben teilzuhaben.

Jedes in der Konvention formulierte Recht ist untrennbar mit der menschlichen Würde und der harmonischen Entwicklung jedes Kindes verbunden. Die Konvention schützt die Kinderrechte, indem sie Standards in der Gesundheitsversorgung, Bildung und in rechtlichen, bürgerlichen und sozialen Belangen setzt. Diese Standards bilden den Massstab, an dem Fortschritte abgelesen werden können. Die an der Kinderrechtskonvention beteiligten Staaten sind verpflichtet, Gesetze und Aktionen immer im Hinblick auf das höchste Wohl des Kindes zu entwickeln und zu konzipieren.

Die Kinderrechtskonvention ist das erste rechtlich bindende, internationale Instrument, das sämtliche Menschenrechte einschliesst, d.h. sowohl bürgerliche und politische als auch ökonomische, soziale und kulturelle Rechte. Zwei Zusatzprotokolle (zur Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten und zu Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornographie) wurden angenommen, um die Massnahmen der Konvention in diesen Bereichen zu stärken. Sie wurden am 12. Februar beziehungsweise am 18. Januar 2002 in Kraft gesetzt.

Die Entwicklung von modernen Gesellschaften wirft eine andere Frage auf: Das Recht auf Freiheit unterstützt die Entwicklung von pluralistischen Gesellschaften und treibt die Säkularisierung und einen individualisierten Lebensstil voran. Wie können diese Ge-sellschaften bei den Grundwerten einen minimalen Konsens finden, der für alle Bürger/in-nen bindend ist?

Menschen- und Kinderrechte haben weltweit viel zur Modernisierung der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Systeme beigetragen, und haben auch dafür gesorgt, dass die Welt sicherer und menschlicher geworden ist. Trotzdem dürfen sie nie als selbstverständlich betrachtet werden, und jede Generation muss zu ihrer Entwicklung beitragen, immer wieder von Neuem darüber verhandeln und sich auch dafür einsetzen, dass die Versprechen der Menschen- und Kinderrechte auch in der Zukunft eingehalten werden können.

Die Menschenrechte, auf denen die Kinderrechte beruhen, habe eine lange Tradition. Vorläufer und Parallelen dazu finden sich schon in den grossen Weltreligionen und philosophischen Strömungen. Die modernen Menschenrechte wurden im Zeitalter der Aufklärung erstmals dargelegt und inspirierten die amerikanische und französische Revolution. Heutzutage sind sie als Grundgesetze in den geschriebenen oder ungeschriebenen Verfassungen der modernen Demokratien verankert. Von Anfang an waren die Menschenrechte besonders wichtig, um die Schwächeren in der Gesellschaft vor den Stärkeren zu schützen. Deshalb sind auch die Kinderrechte so wichtig: Minderjährige gehören zu den Gruppen, deren Rechtsstatus gegenüber der Exekutivgewalt am schwächsten ist.

Der Prozess, der zu den Menschenrechten geführt hat, war sowohl ein revolutionärer als auch ein evolutionärer; er hat verschiedene Generationen von Menschenrechten hervorgebracht: die klassischen Freiheitsgesetze, die Sozialgesetze, die sich vor allem auf den Wert der Gleichheit berufen, die ökologischen und gesellschaftlichen Gesetze, die immer noch diskutiert werden und die sich vor allem mit Themen der Entwicklung und der gegenseitigen Abhängigkeit in einer globalisierten Welt befassen und als weitere Ausführung die Kinderrechte.

Der Prozess der Entwicklung und Verbreitung der Menschen- und Kinderrechte ist immer noch im Gange, und daran wird sich in näherer Zukunft kaum etwas ändern: die universellen Forderungen der Menschen- und Kinderrechte wurden wiederholt in Frage gestellt, sie werden weltweit durch Diktaturen und autokratische Regierungen behindert und auch die dynamische Entwicklung der modernen Gesellschaft und Technologie wirft neue Fragen auf und stellt den Prozess vor neue Herausforderungen. Wie kann zum Beispiel im Zeitalter des Internets der Schutz der Privatsphäre in der Kommunikation gewährleistet werden?

Die Menschenrechte haben als Rahmen für die säkulare Ethik laufend an Bedeutung zugenommen, wie das in der Charta der Vereinten Nationen und in den Menschenrechtskonventionen des Europarates zum Ausdruck kommt. Sie sind die einzige Sammlung von Werten, die eine Chance hat, von der Weltgemeinschaft universell angenommen zu werden.

Es gibt aber immer wieder Staaten, die unter dem Vorwand ihrer Souveränitätsrechte grundlegende Menschen- und Kinderrechte ihrer Bürger und Bürgerinnen verletzten. Wie Menschen- und Kinderrechte in einer Welt von souveränen Staaten, einschliesslich Demokratien und Diktaturen, durchgesetzt und geschützt werden können, bleibt eine offene Frage. Um nicht nur den Frieden zwischen, sondern auch innerhalb der Staaten schützen zu können, scheint eine weitere Anpassung und Weiterentwicklung der Charta der Vereinten Nationen unumgänglich.

Menschenrechte, und damit auch die Kinderrechte, sind universell. Von diesem Versprechen hängt auch ihre Glaubwürdigkeit ab. Sie gelten als unteilbares Ganzes, können weder verhandelt noch zu Gunsten des Westens auf politische Folklore reduziert werden.

Menschenrechte sind natürliche Rechte und als solche unveräusserlich. So hat auch kein Staat die Macht, Menschenrechte zu garantieren oder zu verweigern, sondern nur sie anzuerkennen und zu schützen. Die Menschenrechte setzen voraus, dass der Staat dem Individuum dient und nicht umgekehrt. Sie gelten für alle Menschen, unabhängig von Alter, Geschlecht, ethnischem Hintergrund, Nationalität und so weiter.

Menschenrechte beinhalten jedoch auch Verantwortung. Das Recht auf Freiheit jedes Individuums zum Beispiel muss mit dem der anderen Mitmenschen abgestimmt werden: Ich darf meinen Freiraum nicht auf Kosten der Freiheit anderer ausdehnen. Ähnlich schliesst etwa das Recht auf Meinungsfreiheit nicht das Recht ein, andere Leute zu beleidigen. In gewissen Ländern ist die Freiheit, Eigentum zu besitzen, wie zum Beispiel Fabriken oder andere Produktionsstätten, gesetzlich eingeschränkt, um Entscheidungen auf Managementebene, die die Arbeitsplatzsicherheit betreffen, kontrollieren zu können. Es ist schwierig, die richtige Balance zwischen Wahrung und Einschränkung der Menschenrechte zu finden. Das führt auch immer wieder zu Diskussionen und Vorstössen, die in der politischen Entscheidungsfindung gelöst und/oder in der Verfassung gesetzlich verankert werden müssen. So wird auch klar, warum die Menschenrechte weltweit in den verschiedenen Demokratien in so vielen «Ausführungen» auftauchen.