1.3 Die kulturelle Dimension von EDC/HRE: Lernen „durch“ Demokratie und Menschenrechte

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Wer die Stärken und Schwächen einer Demokratie kennt und die Kompetenzen beherrscht, die ein Bürger braucht, um sich einzumischen und politische Entscheidungsprozesse mit zu gestalten, ist gewiss ein „guter“ Akteur. Ein „guter“ Demokrat muss er deswegen noch lange nicht sein, ja er könnte als Feind der Demokratie und der Menschenrechte sogar besonders gefährlich sein. Rassisten und Populisten z.B. sind für Demokratie und Menschenrechte um so gefährlicher, je versierter sie das politische Geschäft beherrschen. Zugespitzt formuliert, könnte EDC/HRE der Demokratie einen Bärendienst erweisen, wenn sie die kulturelle, die Wertedimension nicht einschließt.

Werte lassen sich nicht vermitteln durch einen Vortrag oder eine Predigt, sondern durch Lehren und Lernen „durch“ bzw. „im Geiste“ der Demokratie und Menschenrechte. Die pädagogische Beziehung zwischen Lehrperson und Lernenden sowie das Klassenklima sollten für Kinder und Jugendliche erfahrbar machen, wie sich die Prinzipien von Demokratie und Menschenrechten positiv auf das Zusammenleben und Lernen. Ein Beispiel: Die Trennung zwischen Kritik an der Sache und Respekt für die Person im öffentlichen Leben kehrt im Umgang mit fehlerhaften oder nicht ausreichenden Schülerleistungen wieder: Schüler innen und Schüler müssen erfahren, dass „schlechte“ Leistungen nicht bedeuten, dass sie „schlechtere“ oder weniger wertvolle Menschen seien. Lehrpersonen sollten sich bewusst machen, dass junge Menschen für die Beziehungsdimension im Lehrer-Schüler-Verhältnis besonders sensibel sind.

Wenn Eltern und Lehrpersonen Kinder und Jugendliche ermuntern und bestärken, erleichtern sie ihnen, ihr Selbstwertgefühl aufzubauen. werden. Eine Lehrperson, die ihre Schülerinnen und Schüler nicht respektvoll behandelt, sollte nicht erwarten, dass diese sich gegenüber Gleichaltrigen ebenfalls respektvoll verhalten. Vielmehr sollte sich die Lehrperson ihrer Vorbildfunktion bewusst sein. Junge Menschen nehmen ernst, wie sich ihre Eltern und Lehrpersonen verhalten, und nicht was sie predigen – insbesondere dann, wenn sich Rede und Praxis widersprechen. Schon kleine Kinder wissen, dass das Verhalten mehr zählt als das Wort.

Die kulturelle, wertebasierte Dimension von EDC/HRE eignen sich Schülerinnen und Schüler also in einem Prozess der Sozialisation an. Die Werte von Demokratie und Menschenrechte vermitteln sich durch Erfahrung. Diese ist zwar wirkmächtig, bleibt jedoch implizit. Es ist die Aufgabe von EDC/HRE, den Lernenden ihre Sozialisationserfahrungen zu reflektieren und bewusst zu machen, d.h. sie z.B. mit dem Konzept der Menschenwürde und der gegenseitigen Anerkennung zu deuten.