Sequenz 3: Worin unterscheiden sich Menschen?

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Inwieweit haben Menschen unterschiedliche Bedürfnisse?

Ziele Die Lernenden können exemplarisch Probleme sozialer Ungleichheit darstellen:

  • Ungleicher Zugang zu Bildungsangeboten
  • Schranken der Gleichberechtigung in der Gesellschaft

Die Lernenden können exemplarisch begründen, wer für die Überwindung sozialer Ungleichheit verantwortlich ist.

Aufgaben

Die Lernenden analysieren eine fiktive Fallgeschichte, in der die Basiskonzepte dieser Einheit thematisiert werden.

Sie wenden die Basiskonzepte auf ihre eigene soziale Situation an.

Sie diskutieren Leitfragen, die in der Sequenz aufgeworfen wurden.

Sie lösen eine schriftliche Transferaufgabe.

Medien und Hilfsmittel Klassensatz des Handouts 3.3
Methoden

Kritisches Denken

Diskussion

Einen Argumentationsgang schriftlich darlegen

Basiskonzepte

Vielfalt

Vielfalt unter Menschen beschränkt sich nicht nur auf die Ethnien oder Nationen, denen sie angehören. Menschen weisen auch zahlreiche weitere Unterschiede auf, die sie voneinander trennen und auch schwerwiegende soziale Ungleichheiten erzeugen können – insbesondere dann, wenn nichts zur deren Überwindung unternommen wird durch jene, die über die Mehrheit oder Macht und Einfluss verfügen, sei es aus einem Mangel an Einsicht oder aus Mitgefühl.

Gleichberechtigung

Es gibt zwei Grundformen der Gleichberechtigung: Chancengleichheit und Ergebnisgleichheit. Es zwar ist möglich, allen die gleichen Ausgangschancen zu bieten, z.B. zur Schule zu gehen; wenn jedoch bestimmte Hindernisse, z.B. Behinderungen, nicht überwunden werden, könnte manchen Menschen Chancengleichheit verwehrt bleiben. Das Prinzip der Ergebnisgleichheit strebt an, dass jedes Kind mit oder ohne Behinderung die Chance hat, eine gute Bildung zu erhalten.

Diskriminierung

Diskriminierung liegt von, wenn ein Mensch z.B. aufgrund seiner Hautfarbe oder ethnischen Herkunft, seines Geschlechts, seiner sexuellen Orientierung, seines Alters oder Glaubens unfair behandelt oder benachteiligt wird.

Verlauf der Sequenz

Auswertung der Fallgeschichte

Die Lehrperson liest der Klasse die Geschichte auf dem Handout 3.2 vor. Diese Geschichte spricht eine Reihe komplexer Probleme an, auf welche die Lernenden möglicherweise erst aufmerksam werden, wenn sie die Geschichte analysieren. Die Lehrperson verteilt Handout 3.3 als Hilfsmittel und gibt ihnen den folgenden Arbeitsauftrag:

In Partnerarbeit arbeiten die Lernenden die Probleme heraus, mit denen sich die Lehrpersonen an der „Schule der guten Hoffnung“ auseinandersetzen müsse, und tragen sie in die erste Spalte ihres Handouts ein („Probleme“). Sie diskutieren, wie man diese Probleme könnte und tragen ihre Vorschläge in die zweite Spalte („Lösungen“) ein. In der dritten Spalte fügen sie hinzu, wer aus ihrer Sicht für die Lösung des Problems für verantwortlich ist. Die letzte Spalte bleibt vorerst leer. Für die anschließende Präsentation im Plenum übertrag die Schülertandems das Layout ihres Arbeitsblatts und ihre Ergebnisse auf ein Flipchart. Als alternative Medien kommen eine Overhead-Folie oder eine Dokumentenkamera mit Beamer in Frage.

Im Anschluss an die Partnerarbeitsphase präsentieren, vergleichen und diskutieren die Lernenden ihre Ergebnisse.

Plenumsdiskussion

Die Plenumsdiskussion sollte erst beginnen, nachdem alle Lernenden die Gelegenheit hatten, ihre Ergebnisse vorzustellen. Die Diskussion kann durch Impulse der Lernenden oder der Lehrperson angestoßen werden, z.B.:

  • Glaubst du, dass die Schulleiterin ihr Ziel erreicht hat, alle Lernende gleich zu behandeln?
  • Meinst du, dass die Schulleiterin sollte die Werte der Flüchtlingseltern respektieren und Jungen und Mädchen getrennt unterrichten? Versuche die Pro- und Kontraargumente zu berücksichtigen.
  • Wäre es besser, die Flüchtlingskinder getrennt allen anderen Lernenden zu unterrichten? Stelle die eine Liste mit den Vorzügen und Nachteilen dieser beiden Ansätze, zusammen, zunächst zur Trennung der Lerngruppen und anschließend für eine erweiterte Lerngemeinschaft.

Bei derartigen Impulsfragen kommt es nicht darauf an, alle abzuarbeiten. Sie dienen als Denkanstöße, und die Lernenden sollten genügend Zeit haben, um sich mit einer oder zwei Fragen intensiv zu beschäftigen. Sie sollen das Erkenntnisziel erreichen, dass die Menschen in einer pluralistischen Gesellschaft unterschiedliche Bedürfnisse haben, die Konflikte auslösen können. Deshalb ist es wichtig, faire Lösungen für diese Konflikte zu finden, indem man Einzelpersonen und Gruppen in die Entscheidungsprozesse mit einbezieht (mehr dazu in Einheit 4). In dieser Fallstudie kann die Schule als Modell einer Gesellschaft angesehen werden, in der die jungen Bürgerinnen und Bürger mit den gleiche Problemlagen begegnen, wie sie auch in der Gesellschaft als Ganzes zu finden sind.

Die nachfolgenden Fragen zeigen, wie ergiebig diese Fallstudie ist und dass es sich lohnt, die mit ihr verbundenen Fragen zu analysieren. Für eine eingehende Analyse wäre eine weitere Sequenz erforderlich. Die Lehrperson muss daher über die Auswahl der zu analysierenden Probleme entscheiden, je nach verfügbarer Zeit und den Interessen der Lernenden. Die intensive Beschäftigung mit einer ausgewählten Problemstellung führt zu einem höheren Lernertrag als ein kursorischer Durchgang über das gesamte Spektrum.

Wie unterscheiden sich die Lern- und Bildungsbedürfnisse von Kindern?

Die Lernenden müssten sich mit folgenden Leitfragen auseinandersetzen:

  • In der Fallgeschichte werden Probleme beschrieben, die sich aus den unterschiedlichen Lern- und Bildungsbedürfnissen der Kinder ergeben. Wie sollte die Schule damit umgehen?
  • Sollte die Schule bestimmte Probleme auf sich beruhen lassen (mit Begründung)?

Diese Fragen können sich die Lernenden auf zwei Wegen nähern. Zum ersten können sie prüfen, wie die Bedürfnisse von Menschen oder Gruppen betroffen wären, wenn man ein bestimmtes Problem lösen oder ignorieren würde. Zum zweiten könnten die Lernenden jene Probleme bestimmen, die für die Schulgemeinschaft überhaupt lösbar sind.

Wenn die Lernenden den ersten Pfad wählen, werden die Lernenden die spezifischen Bedürfnisse der Flüchtlingskinder bzw. der einheimischen Schüler und Schülerinnen besser verstehen, wenn sie sich mit der folgenden Frage befassen: „Welche Menschenrechte – oder welche Kinderrechte – wurden den Flüchtlingskindern verweigert?“

Im Folgenden werden Kategorien genannt, mit denen sich Lern- und Bildungsbedürfnisse ausdifferenzieren lassen. Die Lernenden erhalten die Aufgabe, diesen Kategorien Beispiele in der Geschichte zuzuordnen und in die vierte Spalte des Handouts einzutragen:

  • emotionale Bedürfnisse;
  • Lernbedürfnisse;
  • religiöse Bedürfnisse;
  • kulturelle Bedürfnisse;
  • sprachliche Bedürfnisse;
  • physische Bedürfnisse;

Zur Vertiefung: Zu jeder Kategorie fügen die Lernenden eigene Beispiele hinzu.

Verantwortung und ihre Grenzen

Die konkreten Fragen, die in der Geschichte aufgeworfen werden, können eine Diskussion anstoßen, die nach Gleichberechtigung und Bildungschancen fragt. Die folgenden Impulsfragen können als Anregung dienen:

  • Wie einfach ist es, jedem Kind die Bildung zu bieten, die seinen spezifischen Voraussetzungen und Bedürfnissen entspricht?
  • Was kann eine Schule tun, um Kinder bestmöglich zu fördern? Bei welchen Problemen ist eine Schule auf Unterstützung angewiesen, z.B. zusätzliche Finanzierung durch die Schulbehörde?

In unserer Geschichte folgen die Lernenden dem zweiten Pfad, und diese Analyse führt zu einer wichtigen Erkenntnis: in aller Regel lassen sich komplexe Probleme nicht lösen, indem man einen großen Schritt macht. In unserer Fallgeschichte würde das zum Beispiel bedeuten, die Schule zu vergrößern oder Lehrkräfte mit einer Spezialausbildung einzustellen. Derartige Reformmaßnahmen wären äußerst wünschenswert, aber sie könnten nie stattfinden, weil sie von politischen Entscheidungen abhängen, z.B. wie Steuergelder verwendet werden, und diese Entscheidungen von Anderen getroffen werden (z.B. vom Stadtrat oder dem Bildungsministerium). Menschen, die nur solche scheinradikalen Schritte in Betracht ziehen, unternehmen mitunter gar nichts, außer die Schuld auf andere abzuwälzen. Auf der anderen Seite können Dinge auch verbessert werden, indem man kleine Schritte unternimmt, was in dieser Fallstudie heißt, dass man jene Teile des Problems angeht, welche die Direktorin, die Lehrpersonen, die Lernenden und Eltern schon morgen verändern könnten – wenn sie wollten und wenn sie sich einigen könnten.

Hier wird die dritte Spalte des Handouts wichtig. Wer ist wofür verantwortlich? D.h. wer hat die Macht, etwas zu verändern? Die Lernenden sollen diskutieren, ob die kleinen Schritte – die Verbesserungen, die innerhalb der Spielräume der Schulgemeinschaft liegen – genügen würden und wo sie an ihre Grenzen stoßen. Sie können auch erwägen, kleine, kurzfristige und größere Schritte, die mehr Zeit brauchen, miteinander zu kombinieren.

Auch hier zeigt sich, dass sich die Schule als eine Gesellschaft im Kleinformat erweist. Lernende diskutieren über Strategien zur Schulentwicklung und lernen dabei, die Logik politischer Entscheidungsprozesse und strategischer Planung zu verstehen.

Die Schule ist Teil unseres Lebens

Die Lernenden können die „Schule der guten Hoffnung“ mit der Situation in ihrer eigenen Schule vergleichen, indem sie sich mit der folgenden Frage auseinandersetzen:

  • Mit welchen Lern- und Bildungshindernissen manche Schülerinnen und Schüle an deiner eigenen Schule zu kämpfen?
  • Wer ist deiner Meinung nach dafür verantwortlich, sich um die Bedürfnisse der betroffenen Schülerinnen und Schüler zu kümmern (z.B. die Regierung, die Schulleitung, das Lehrerkollegium oder die Schülerinnen und Schüler?

Verschiedene Methoden sind denkbar, um diese Frage zu behandeln: Sie kann das Thema einer Plenumsdiskussion sein, eines Interviewprojekts mit anderen Schülerinnen und Schülern oder mit dem Projekt einer Schülerzeitung verknüpft werden (siehe dazu Einheit 7).

Schriftliche Aufgabe

Bei der Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen muss die Lehrperson darauf achten, dass die Lernenden verstehen, was sie gelernt haben, und dass das Gelernte anwenden können (Transfer). Eine Möglichkeit besteht darin, eine Plenumsdiskussion mit einer schriftlichen Aufgabe zu verknüpfen. Alle Lernende erhalten auf diese Weise die Gelegenheit, über die Fragen, die im Plenum diskutiert wurden, nachzudenken, und diese Aufgabenstellung kommt insbesondere jenen entgegen, die den langsam und gründlich nachdenken und in einer Diskussion oft schweigen, obwohl sie eigentlich viel zu sagen hätten.

Welches Thema am besten dem Reflexions- und Verstehensniveau ihrer Lernenden entspricht, muss die Lehrperson entscheiden. Es mag schon genügen, dass die Lernenden die Diskussion wiedergeben und ihre eigene Position formulieren. Eine anspruchsvollere Aufgabe könnte von den Lernenden verlangen, sich auf die Menschenrechte und/oder mit Problemen sozialer Ungleichheit auseinander zu setzen. Eine derartige Aufgabe könnte lauten wie folgt:

„Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Kinderrechtskonvention verpflichten Staaten, für jedes Kind das Recht auf Bildung zu garantieren.

  • Beurteile, ob die „Schule der guten Hoffnung“ diese Verpflichtung erfüllt hat.
  • Stelle dar, was getan werden muss, um allen Kindern zu der Bildung zu verhelfen, die ihren Bedürfnissen am besten dient.
  • Stelle dar, wer für die Einlösung des Rechts auf Bildung verantwortlich ist.
  • Erörtere, auf welche Lebensbereiche sich Ungleichheit in der Gesellschaft auswirkt.“

Mögliche Ergebnisse der Plenumsdiskussion (Flipchart bzw. das ausgefüllte Handout)


Hilfe für die „Schule der guten Hoffnung“

Probleme Lösungen Verantwortung Lern- und Bildungsbedürfnisse
(1) Flüchtlingskinder
Sprachprobleme Spezialkurse

Schulleitung

Schulträger (z.B. kommunale Behörden)

Spracherwerb
Ein Junge spricht nicht

Therapie,

Einzelbetreuung

Beratung durch Schulleiterin oder Lehrperson

Spracherwerb,

emotionale Bedürfnisse

Ein Mädchen kann nicht gehen

Ärztliche Behandlung

Einzelbetreuung

Beratung der Eltern

Körperliche Entwicklung
(2) Flüchtlinge und einheimische Lernende

Schikanieren, Hänseln

Bandenbildung

Bedrohung

Schlägerei, Verletzte

Klassendiskussion

Verhaltensregeln

Monitoring durch die Lernenden

Lehrpersonen

Lernende

Eltern

emotionale Bedürfnisse

soziales Lernen

Einstellungen und Werte

(3) Lehrpersonen
können sich nicht um Flüchtlingskinder und einheimische Lernende kümmern

kleinere Klassen

Unterricht im Schichtbetrieb

mehr Lehrpersonen

Schulträger (z.B. kommunale Behörden) Fortbildung (z.B. Sprachen, interkulturelle Bildung, Glaubensrichtungen verstehen)
(4) Eltern
wollen getrennte Klassen für Jungen und Mädchen Entscheidung:
Ja oder nein?
?

Kulturell Entfaltung

Glaubensfreiheit