2.1 Demokratie lebt von der Zustimmung der Bürger

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Ein Beispiel

Parlamentswahlen bringen Gewinner und Verlierer hervor. Die Mehrheit bildet die neue Regierung, die Minderheit die Opposition. Wahlen machen es möglich, einen Regierungswechsel herbeizuführen und einer neuen Regierung mit einer anderen politischen Ausrichtung die Verantwortung zu übergeben.

Das Verfahren ist eindeutig geregelt, doch das genügt nicht. Das Wahlsystem funktioniert nur dann, wenn wir uns darauf verlassen können, dass die Verlierer ihre Niederlage akzeptieren. Tun sie es nicht, kann eine Wahl gewaltsame Konflikte auslösen und die Gesellschaft zerreißen, anstatt ihren Zusammenhalt zu fördern.

Der Wahlkampf gibt den Parteien die Chance, den Bürgern ihre Vorstellungen zu verdeutlichen. Doch was geschieht, wenn manche Parteien rassistische, fundamentalistische oder demokratiefeindliche Ziele propagieren?

Wahlen sind für die Bürgerinnen und Bürger die mit Abstand am häufigsten genutzte Form der Partizipation. Damit Wahlen ihre Funktion in der Demokratie erfüllen können, ist ein gesetzlich geregeltes Wahlverfahren die Grundvoraussetzung, und es müssen Instrumente vorhanden sein, um Verstöße zu unterbinden und zu sanktionieren. Unerlässlich ist jedoch, dass die Bürgerinnen und Bürger auf die Fairness der Wahlen vertrauen und die Legitimation der neuen Parlamentsmehrheit bzw. der Regierung anerkennen, das Land zu führen.

Das Beispiel zeigt, dass Demokratie gleichermaßen von einem Ordnungsrahmen und von den Einstellungen der Bürgerinnen und Bürger abhängt. Die Bürgerinnen und Bürger müssen die Demokratie als politisches System verstehen und wertschätzen und sich für dessen Stabilität verantwortlich fühlen. Die Parteien wiederum sollten einander als Konkurrenten, nicht aber als Feinde behandeln. Nur dann kann die Demokratie ihre Stärke entfalten, als einziges politisches System einen Regierungswechsel zu ermöglichen ohne zugleich das politische System selbst zerstören zu müssen.

Demokratie besteht aus einem System von Institutionen und Verfahren, u.a. Wahlen, Parlament und Herrschaftskontrolle durch die Teilung der Staatsgewalt. Manche Verfassungen sehen die direkte Partizipation durch Volksabstimmungen oder ein Verfassungsgericht vor. Das ist die politische Bühne, auf der die Bürgerinnen und Bürger die Akteure sind. In einem sehr wörtlichen Sinne müssen sie willens und fähig sein, ihre Rolle zu spielen, uns sie müssen sich mit dem politischen System der Demokratie identifizieren.

Demokratie ist ein Institutionensystem, das in der politischen Kultur einer Gesellschaft verankert ist. Die Institutionen können die Rahmenbedingungen für diese Kultur schaffen, nicht aber die Kultur erschaffen oder erhalten. Entsprechendes gilt für autokratische Herrschaftsformen: Auch ein Autokrat ist auf eine geeignete politische Kultur angewiesen, die allerdings auf gehorsame Untertanen erfordert und durch aktive und engagierte Bürgerinnen beruht gefährdet wäre.