Sequenz 4: Das Schülerparlament

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Wie nehmen wir unsere Mitwirkungsrechte wahr?

Erkenntnisziel Die Teilhabechancen der Lernenden an ihrer Schule hängen nicht nur von ihren gesetzlich festgelegten Mitwirkungsrechten ab, sondern auch davon, wie sie sich mit ihren Ideen und Impulsen zur Schulentwicklung einbringen.
Aufgaben

Die Lernenden befragen den Schülersprecher oder die Schülersprecherin über die Arbeit des Schülerparlaments.

Sie diskutieren Ideen und Forderungen zur Schulentwicklung.

Sie protokollieren die Ergebnisse der Expertenbefragung und Diskussion.

Medien und Hilfsmittel

Laptop oder Tablet.

Methoden Lehrerinformation, Expertenbefragung, Diskussion; evtl. Planungsgespräch.

Teilhabe der Lernenden an der Schulführung

Jungen Bürgern und Bürgerinnen stehen abgesehen vom Wahlrecht wichtige informelle Teilhaberechte zu, vor allem die Gedanken- und Meinungsfreiheit sowie das Demonstrationsrecht. Sie haben somit das Recht, sich zu allen Themen zu äußern, die sie, ihre Zukunft und die Gesellschaft betreffen. Das schließt auch ihre Schule mit ein. Rechtlich abgesicherte Verfahren garantieren den Lernenden eine Mitsprache bei der Führung ihrer Schule und ermöglichen ihnen, von den ihnen garantierten Teilhaberechten Gebrauch zu machen. Zugleich eröffnen sie den Lernenden die Chance, demokratische Prozesse praktisch zu erfahren und zu verstehen. Insofern gehört die Bildung von Schülerparlamenten in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu den formellen Teilhaberechten57.

Für die Lernenden ist es wenig ergiebig, die Rechtslage zum Schülerparlament zu bewerten und ggf. Forderungen nach erweiterten Mitsprachemöglichkeiten an den Gesetzgeber zu richten. Im Anschluss an die vorige Sequenz ist es hilfreicher zu prüfen, ob die vorhandenen Mitwirkungsrechte ausgeschöpft werden und welche Ideen und Forderungen artikuliert wurden. Die realen Mitwirkungschancen können erheblich über den gesetzlich definierten Rahmen hinausgehen – entscheidend ist das Engagement der Schülerinnen und Schüler. Erst wenn sich die gesetzlichen Bestimmungen als Schranke für die Mitwirkung der Schülerinnen und Schüler erwiesen hat, ist eine öffentliche Kritik dieser Bestimmungen sinnvoll.

Würdigung der Schülerbeiträge

Die Lernenden gestalten den Einstieg in die Sequenz mit ihren Beiträgen, die sie als Hausaufgabe vorbereitet haben. Es ist die Aufgabe der Lehrperson, die Weiterarbeit mit diesen Impulsen zu moderieren. Falls ihre Impulse das vorhandene Zeitbudget überschreiten, entscheidet die Lehrperson in einem Planungsgespräch mit der Klasse über die Auswahl der Themen und Fragestellungen. Die Lehrperson bietet an, zu jenen Beiträgen, die nicht im Plenum behandelt werden können, den Lernenden ein schriftliches Feedback zu geben. Auf diese Weise können alle Schülerbeiträge gewürdigt werden.

Vorbereitung der Sequenz

Die Lehrperson vereinbart mit dem Schülersprecher oder der Schülersprecherin den Termin für das Expertengespräch. Sie einigt sich mit dem Gast auf den Zeitrahmen für das Gespräch.

Verlauf der Sequenz

Einstieg

Die Lernenden gestalten den Einstieg in die Sequenz. Sie präsentieren die Ergebnisse ihrer Meinungsumfrage zur Verantwortung der einzelnen Bürger und Bürgerinnen, die sie in ihren Familien und im Freundeskreis durchgeführt haben. Die Lernenden diskutieren die Ergebnisse der Umfrage.

Information: Das Recht zur Wahl eines Schülerparlaments

Die Lehrperson führt die in das neue Thema ein: das Schülerparlament. Sie informiert die Klasse über die Rechtslage, dass die Lernenden einen Rechtsanspruch auf die Wahl eines Schülerparlaments haben. Die Lernenden tragen ihre Erfahrungen und Fragen bei, z.B.:

  • Wer vertritt die Klasse im Schülerparlament?
  • Wie ist das Schülerparlament zusammengesetzt?
  • Wann fand die letzte Sitzung statt?

Expertengespräch mit der Schülersprecherin / dem Schulsprecher

Die Lehrperson lädt den Schulsprecher bzw. die Schulsprecherin ein, die Fragen der Klasse zu beantworten. Die Lehrperson klärt, wer die Protokollierung übernimmt (am besten zwei Lernende, die sich phasenweise abwechseln können.

Falls die Frage nicht von der Klasse gestellt wird, kann die Lehrperson sie einbringen:

  • Wie beurteilt die Schulsprecherin/der Schulsprecher
    • die Arbeit des Schulparlaments?
    • das Interesse der Schülerinnen und Schüler an der Arbeit der gewählten Vertreter und Vertreterinnen?
  • Wie könnten Schülerinnen und Schüler, die sich für die Arbeit der Schülervertretung interessieren, sich informieren oder mitarbeiten?

Auswertung des Expertengesprächs

Die Lernenden rekapitulieren das Expertengespräch und greifen nur dann auf das Protokoll zurück, wenn Details nicht anders geklärt werden können:

  • Was hat mich überrascht?
  • Was fand ich besonders wichtig?
  • Worüber hätte ich gern mehr erfahren?
  • Welche Themen und Entscheidungen in der Arbeit des Schülerparlaments finde ich besonders wichtig?
  • Mit welchen Themen sollte sich das Parlament in Zukunft bzw. zusätzlich beschäftigen?

Die letzte Frage bringt die Lernenden ins Spiel:

  • Wofür wollen sie sich an der Schule einsetzen?
  • Wollen sie im Schülerparlament mitarbeiten oder sich auf andere Weise engagieren?

Bei diesen Fragen spielen die Signale der Schülersprecherin oder des Schülersprechers eine Rolle. Hat sie oder er die Klasse ermuntert, sich in Fragen der Schulentwicklung einzubringen?

Die Lehrperson knüpft an die Beiträge der Lernenden an, um daraus das Erkenntnisziel zu entwickeln: Die Chancen der Lernenden, sich an Entscheidungsprozessen zur Schulentwicklung zu beteiligen und diese zu beeinflussen, hängen nur zum Teil von den rechtlichen Bestimmungen ab. Es kommt auch darauf an, mit welchen Ideen sie sich einbringen und wie sie das Gespräch mit der Schulleitung, Lehrpersonen, Eltern, Mitschülern und -schülerinnen suchen. Neben den formellen, d.h. gesetzlich geregelten Mitbestimmungsformen, bestehen informelle Wege der Kommunikation und Entscheidungsfindung, die weitergehende Mitwirkungschancen eröffnen können. Die realen Teilhabechancen hängen also auch ab von der Bereitschaft, Verantwortung für die Schule zu übernehmen und sich zu engagieren.

57. Die Rechte der Schülerparlamente sind in allen drei Ländern gesetzlich geregelt. In Österreich ist das Schülerparlament auf Bundesebene gesetzlich verankert, und unterschiedliche Regelung kommen in den Bundesländern hinzu. In Deutschland ist die Regelung der Mitwirkungsrechte der Schülerparlamente Ländersache; die Schülerinnen und Schüler haben einen Rechtsanspruch auf die Bildung eines Schülerparlaments. In der Schweiz unterscheiden sich mit Mitwirkungsrechte der Lernenden von Kanton zu Kanton sowie von Schule zu Schule. – Zur Unterscheidung zwischen formellen und informellen Formen der Kommunikation und Entscheidungsfindung siehe B. Trafford / E. Bäckman (2007): Demokratische Schulgestaltung in Theorie und Praxis. http://www.edchreturkey-eu.coe.int/EDCPACK_EN.asp (Abruf am 01.12.2021).