2.3 Demokratische Schulkultur: Durch Demokratie und Menschenrechte lehren und lernen

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Keine Demokratie kann ohne engagierte Bürgerinnen und Bürger auf Dauer bestehen.

Jede Generation tritt ihr demokratisches Erbe an und, so ist zu hoffen, wird es verstehen, wertschätzen und lernen davon Gebrauch zu machen. EDC/HRE und dem Bildungswesen insgesamt ist die Aufgabe gestellt, die junge Generation zu unterstützen und zu ermutigen, aktive und engagierte Demokratinnen und Demokraten zu werden.

Die Kulturtraditionen, die eine Demokratie begünstigen, entwickeln sich nur langsam, wie die historische Erfahrung in vielen Ländern gezeigt hat. Die Interventions- und Demokratisierungsprojekte in Gesellschaften, die von einer Diktatur befreit bzw. durch einen Bürgerkrieg zerrüttet wurden (z.B. Irak, Afghanistan) scheiterten daran, dass eine demokratische Verfassung nicht als Blaupause importiert werden kann, wenn die Gesellschaft keine historisch tradierte demokratische Kultur kennt.

Aus konstruktivistischer Perspektive entfaltet sich eine demokratieförderliche politische Kultur in Lern- und Sozialisationsprozessen. Insofern macht es einen Unterschied, ob Schulen demokratisch oder autokratisch geführt werden und die Schülerinnen und Schüler als Bürger oder Untertanen sozialisiert werden.

Als Mikro-Gesellschaften können Schulen die Lernenden im Sinne einer Demokratie- und Menschenrechtskultur sozialisieren. Dazu gehören die folgenden Kompetenzen, Einsichten und Einstellungen:

  • Die Lernenden haben ihre Interessen und Ansichten reflektiert und besitzen das Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl, diese zu äußern.
  • Die Lernenden respektieren einander und sie bereit einander zuzuhören. Sie begegnen Anderen mit Empathie, d. h. sie sind bereit und fähig, ihre Perspektive zu wechseln.
  • Die Lernenden sind fähig, Konflikte mit gewaltfrei zu lösen, d. h. durch Verhandlungen und Kompromisse.
  • Die Lernenden wissen die Funktion eines Ordnungsrahmens zu schätzen, der ihre persönlichen Rechte und Freiheiten schützt, teilweise aber auch einschränkt. Diese „weiche”, infor¬melle Komponente der politischen Kultur sichert die „harte”, formelle Komponente eines Regelsystems.
  • Die Lernenden schätzen Politik als etwas Praktisches, nämlich den Versuch Probleme zu lösen, die man im Interesse der Allgemeinheit nicht liegen lassen sollte.
  • Die Lernenden wählen ihr Schulparlament und nehmen ihre Rechte wahr, Entscheidungen mitzuwirken.
  • Die Lernenden können auf informelle Weise Entscheidungsprozesse beeinflussen, indem sie in der Schulöffentlichkeit Versammlungen abhalten, Aktionen veranstalten, Lobbying für ihre Interessen betreiben und Probleme eigenständig lösen.
  • Die Lernenden übernehmen die Verantwortung für ihre Entscheidungen und berücksichtigen dabei die Folgen für sich und für Andere.
  • Die Lernenden wissen: Falls sie sich nicht an Entscheidungen beteiligen, die sie betreffen, werden Andere entscheiden – möglicherweise nicht in ihrem Sinne.

Die politische Kultur hängt also eng mit den Haltungen und Wertvorstellungen zusammen, die junge Menschen in ihren Sozialisationsprozessen erwerben. Außer der Schule üben insbesondere die Familie, die Gleichaltrigen (peer-group) und die Medien starken Einfluss auf die Sozialisation von Kindern und Jugendlichen aus.

Der einzigartige Beitrag Schule zur Sozialisation junger Menschen besteht darin, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben aus der Familie heraustreten und die Interaktion in der Gesellschaft und im öffentlichen Raum erfahren. Es daher anzunehmen, dass die Schule einen entscheidenden Einfluss darauf hat, wie das demokratische Erbe an die junge Generation weitergegeben wird. Durch die Lernprozesse und Erfahrungen, die junge Menschen im schulischen Umfeld machen – in formalisierten Entscheidungsprozessen sowie im Schulalltag – können sie Einstellungen und Kompetenzen für ein lebenslanges Engagement in der Demokratie bzw. für Men¬schen¬rechte entwickeln.