Sequenz 2: Warum sind Menschen verschiedener Meinung?

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Wie gehen wir mit Meinungsstreit um?

Ziele

Die Lernenden verstehen, dass in Gleichberechtigung und Freiheitsrechtsrechte in einer Gesellschaft dazu führen, dass Meinungsvielfalt und auch Streit bei

Meinungsverschiedenheiten entsteht (Pluralismus).
Die Lernenden entwickeln die Kompetenz, kontroverse Themen zu diskutieren.

Die Lernenden verstehen, dass eine demokratische Gesellschaft auf einen Minimalkonsens aller Mitglieder angewiesen ist, der Grundwerte des gegenseitigen Respekts und anerkannte Verfahren zur Lösung von Problemen und Konflikten umfasst.

Aufgaben

Die Lernenden beziehen Position zu kontroversen Themen und begründen ihre Entscheidung.

Die Lernenden sammeln Hypothesen über die Gründe, weshalb Menschen in öffentlich ausgetragenen Kontroversen unterschiedliche Positionen beziehen.

Sie überprüfen diese Hypothesen anhand ihrer eigenen Einstellungen.

Die Lernenden erarbeiten Grundelemente eines gesellschaftlichen Minimalkonsenses, der zur Anerkennung des Pluralismus und zu einem respektvollen und konstruktiven öffentlichen Diskurs beitragen kann.

Medien und Hilfsmittel

Gut lesbare Beschriftungen für das „Vier-Ecken-Spiel“

Flipchart und Marker für die Pyramidenanalyse

Methoden

Diskussion

Reflexion

Kritisches Denken

Lehrgespräch mit offenen Impulsen

Think – pair – share – Verfahren

 

Pluralismus: Pluralism exists in societies which do not have one official set of interests, values or beliefs. Citizens have the right to freedom of conscience, religion and expression. The exception is that views which threaten other people’s freedom of belief are against the law and are not tolerated. A state in which only one religion is allowed or where no religion is tolerated would not be pluralist.

Verlauf der Sequenz

Die Lehrperson bittet die Klasse, der Reihe nach über die folgenden umstrittenen Aussagen nachzudenken:

Bist du einverstanden oder nicht?

  • Es ist falsch, Tiere zu essen.
  • Wenn ein Schüler oder eine Schülerin HIV-positiv ist, sollte er oder sie nicht in der gleichen Klasse sein wie gesunde Kinder.
  • Pazifisten oder Pazifistinnen sollten nicht gezwungen werden, Militärdienst zu leisten.
  • Die Todesstrafe sollte abgeschafft werden.
  • Der richtige Platz für eine Frau ist zu Hause.
  • Es sollte verboten sein, dass Kinder unter 14 Jahren arbeiten.
  • Rauchen sollte in öffentlichen Gebäuden verboten sein.
  • Die Leute sollten mehr Steuern bezahlen.
  • Redefreiheit ist keine gute Sache.

Die vier Ecken des Klassenzimmers sind wie folgt beschriftet:

Ich stimme vollkommen zu.
Ich stimme zu.
Ich stimme
nicht zu.
Ich stimme ganz und gar nicht zu.

Die Lehrperson liest die Aussagen der Reihe nach vor und fordert die Lernenden auf, je nach ihrer Meinung zur entsprechenden Zimmerecke zu gehen. Falls sie sich nicht entscheiden können, sollen sie an ihren Plätzen bleiben.

Bei jedem Durchgang bittet die Lehrpersonen einen Schüler oder eine Schülerin aus jeder Ecke zu erklären, warum er oder sie diesen Standpunkt eingenommen hat. In dieser Phase sollte es noch nicht zu Diskussionen kommen. Lernende, die ihre Meinung ändern möchten, dürfen in die entsprechende Ecke wechseln.

Als Nächstes sollen jene Lernende, die sich keiner Position zugeordnet haben, die Gründe ihrer Nicht-Entscheidung erklären (z.B. brauchen sie vielleicht mehr Informationen, ihnen ist nicht klar, worum es geht, oder ihnen leuchten sowohl die Pro- als auch die Kontra-Argumente ein).

Das „Vier-Ecken-Spiel“ wird drei oder vier Mal mit verschiedenen Aussagen wiederholt. Die Lehrperson konzentriert sich bei ihrer Moderation nicht auf die inhaltliche Diskussion der einzelnen Streitthemen, sie interessiert sich vielmehr für die Gründe, weshalb Menschen unterschiedliche Meinungen vertreten.

Im Plenum weist die Lehrperson anschließend darauf hin, dass die gleichen Streitthemen ganz gegensätzliche Reaktionen bei den Lernenden hervorgerufen haben. Die Lehrperson kann nun das Konzept des Pluralismus einführen. Anschließend erklärt sie der Klasse, dass sie mit Hilfe der folgenden Impulsfragen die Gründe verstehen könne, weshalb Gesellschaften pluralistisch sind:

  • Denkt an die Fragen, über die wir nachgedacht haben. Welche rufen bei euch die stärksten Gefühle hervor? Warum?
  • Woher kommen unsere Ideen, Wertvorstellungen und Ansichten? (Dieser Impuls hilft den Lernenden zu erkennen, dass unsere Vorstellungen zu kontroversen Fragen aus unterschiedlichen Quellen stammen können.)

Anschließend fragt die Lehrperson die Lernenden, wie stark sie beeinflusst wurden durch:

  • die Vorstellungen ihrer Eltern;
  • was ihre Freunde denken;
  • ihre Religion oder Kultur;
  • die Medien, wie z.B. Zeitungen, Fernsehen, Internet;
  • Lehrpersonen;
  • ihre eigene Persönlichkeit.

Im sog. Think-Pair-Share-Verfahren untersuchen die Lernenden, wie sie individuell bzw. gemeinsam diese Faktoren gewichten. In Einzelarbeit ordnen die Lernenden die Faktoren nach Wichtigkeit. Sie gestalten eine Pyramide, die eine dreistufige Rangfolge darstellt mit dem wichtigsten Einflussfaktor an der Spitze:

Einflussfaktor

Einflussfaktor   Einflussfaktor

Einflussfaktor   Einflussfaktor   Einflussfaktor

Anschließend vergleichen die Lernenden in Partnerarbeit ihre Pyramiden. In einem dritten Schritt ermitteln die Lernenden, welche Faktoren von der Klasse als Ganzes als die wichtigsten angesehen werden. Dazu wenden die Lernenden folgendes Verfahren an: Einflussfaktoren an der Spitze der Pyramide werden mit sechs, jene in der mittleren Reihe mit je vier und diejenigen an der Basis der Pyramide mit je 2 Punkten gewichtet. In Vierergruppen addieren die Lernenden die Punkte, mit denen die sie den einzelnen Faktoren gewichtet haben und fassen ihr Ergebnis auf einem Flipchart als Ranking-Liste zusammen. Dann werden die Ergebnisse der Gruppen verglichen: Inwieweit waren sich die Gruppen einig, welche Einflussfaktoren sie am stärksten gewichten?

Die Lehrperson erklärt, dass Pluralismus sich in einer freien und offenen Gesellschaft entfaltet. Keine pluralistische Gesellschaft kann jedoch bestehen ohne einen Minimalkonsens aller Menschen, die ihr angehören, damit es möglich mit unterschiedlichen Wertvorstellungen und Interessen konstruktiv umzugehen. Die Lehrperson bitte die Lernenden darüber nachzudenken, welche Werte oder Regeln dieser Minimalkonsens umfassen sollte. Die Lernenden könnten z.B. folgende Punkte nennen:

  • die Meinungen anderer Personen respektieren;
  • versuchen, sich in die Situation anderer Menschen zu versetzen;
  • sich daran erinnern, dass Reden besser als Gewalt ist;
  • versuchen, niemandes Gefühle zu verletzen;
  • den Menschen eine Chance geben, ihre Meinung zu äußern;

Die Lernenden sollten erkennen, dass sie mit solchen Vorschlägen Grundhaltungen beschreiben, die für eine demokratische Streitkultur unerlässlich sind (Wertekonsens). Die Lehrperson könnte das Konzept des demokratischen Minimalkonsenses um das Prinzip des Ordnungskonsenses erweitern:

  • Die Mitglieder der Gesellschaft einigen sich auf Verfahrensregeln zur Lösung nicht überbrückbarer Gegensätze, z.B. eine Entscheidung durch eine Abstimmung (Mehrheitsentscheid) herbeiführen.