Handout 6.1: Milan trifft eine Entscheidung

Living Democracy » Textbooks » Handout 6.1: Milan trifft eine Entscheidung

Milan war fast fertig, um in die Schule zu gehen, als sein Vater in die Küche kam.

„Milan, ich brauche heute wirklich deine Hilfe auf dem Feld. Kannst Du nicht ausnahmsweise zu Hause bleiben, statt in die Schule zu gehen? Die Ernte nimmt Schaden, wenn wir die Pflanzen noch länger stehen lassen.“

Milan war nicht glücklich.

„Papa, ich muss heute in die Schule“, sagte er, «heute findet die erste Sitzung des Schülerparlaments statt, und ich bin gerade als einer der Vertreter der 8. Klasse gewählt worden.“

„Aber du bist doch nicht der Einzige, der da hingeht, oder?“, sagte sein Vater. „Es wird nicht so darauf ankommen, ob du da bist oder nicht. Es gibt sicher auch andere Vertreter der 8. Klasse, oder etwa nicht?“

„Ja, aber ich würde die Leute enttäuschen, die mich gewählt haben, wenn ich nicht hinginge. Abgesehen davon haben wir heute unsere Physikstunde. Die will ich nicht verpassen. Ich muss meine Prüfungen bestehen, wenn ich auf die Universität möchte.“

Der Vater war nicht glücklich über diese Antwort und grummelte:

„Du sprichst davon, an die Uni zu gehen, als ob die Familie nichts zählen würde. Warum willst du nicht einsehen, dass wir dich zu Hause brauchen? Und wohin wirst du gehen, wenn du deinen Abschluss hast? Du wirst wohl kaum wieder hierher zurückkehren, das ist ja klar.“

„Du solltest dich darüber freuen, dass ich im Leben weiterkommen möchte“, schrie Milan wütend, „im Gegensatz zu vielen anderen Jungen der Gegend, die keinen Ehrgeiz haben. Zum Schluss werden sie alle nur das tun, was ihre Väter schon getan haben“.

„Es ist kein Fehler, ein wenig Respekt für die ältere Generation zu zeigen», antwortete Milans Vater, dem langsam die Geduld ausging.

„Dieses neumodische Geschwätz über Bildung macht mich ganz krank. Es scheint mir, du hast einige der alten Werte vergessen, als wir alle zusammenhielten. Du denkst nur an dich“.

Milan seufzte. Das hatte er alles schon tausendmal gehört.

„Papa, wenn ich einen guten Job kriege, dann werde ich dich und die Familie sicher nicht vergessen. Wie kannst du nur so etwas von mir denken? Willst du wirklich, dass ich die Schule verlasse und nicht das erreiche, wozu ich fähig bin? Alle meine Lehrer sagen, ich könne ein guter Naturwissenschaftler werden. Vielleicht entdecke ich eines Tages Dinge, die allen Menschen auf der Welt helfen werden.“

Milans Vater schlug mit der Faust auf den Tisch.

„Als erstes bist du deiner Familie und Gemeinschaft verpflichtet, vor allem jetzt in diesen harten Zeiten. Du hast den Kopf voller Träume. Was kümmert dich denn die wirkliche Welt?“Die Worte seines Vaters verletzten Milan, aber er wollte es nicht zeigen. Eine Sekunde lang schaute er seinen Vater still und herausfordernd an. Dann drehte der alte Mann sich um und schlug die Tür hinter sich zu.

Milan setzte sich und seufzte. Er überlegte einen Moment, und dann entschied er sich. Er nahm seine Schulmappe und ging auf die Tür zu. Dann hielt er inne, nahm ein Blatt Papier, setzte sich und fing an, einen kurzen Brief an seinen Vater zu schreiben. Es war das Schwierigste, was er bis jetzt in seinem Leben getan hatte.