1.3 Demokratische Schulführung

Living Democracy » Textbooks » 1.3 Demokratische Schulführung

1.3.1 Die Schule – eine Mikro-Demokratie?

Demokratie- und Menschenrechtsbildung (EDC/HRE) beruht auf dem zentralen Grundsatz des Lehrens und Lernens durch, über und für die Demokratie und die Menschenrechte in Schulen (siehe Einführung, Kap. 2). Die Schule wird als eine „Gesellschaft im Kleinformat” begriffen10, die von formalen Regelungen und Verfahren, Entscheidungsprozessen und einem Beziehungsnetz gekennzeichnet ist und die sich auf die Qualität des Alltags auswirkt. Doch kann man die Schule tatsächlich als eine Demokratie im Miniaturformat verstehen? Ein Blick auf die Merkmale von Demokratien als politische Systeme (s.o. 1.2.2) zeigt, dass Schulen keine kleinen Staaten sind, in denen Wahlen stattfinden und die Lehrpersonen wie Regierungsmitglieder agieren oder die Schulleitung einem Präsidenten entspricht. Was also können Schulen für EDC/HRE leisten?

1.3.2  Demokratische Schulführung

Elisabeth Bäckman und Bernard Trafford, Schulleiterin in Schweden bzw. Schulleiter in Großbritannien und Verfasser des vom Europarat herausgegebenen Handbuchs „Democratic governance of schools” , haben sich mit dem Beitrag der Schule für EDC/HRE auseinandergesetzt. Sie unterscheiden zwischen dem Management und der Führung einer Schule – beides sei notwendig.
Unter Schulmanagement umfasst die administrativen Aufgaben nach Maßgabe der Gesetze, der Finanzmittel und der Lehrpläne. Schulmanagement schafft eine hierarchische Ordnung zwischen Schulleitung, Lehrpersonen und den Lernenden, in der es um den Vollzug von Weisungen und Pflichten geht.

Demokratische Schulführung hingegen muss sich dem Wandel einer modernen Gesellschaft auseinandersetzen. Die Schulen müssen mit externen Partnern (z.B. Eltern, Unternehmen, Gemeindeverwaltung, Sponsoren) zusammenarbeiten und auf unvorhergesehene Probleme und Herausforderungen antworten können. Alle Mitglieder der Schulgemeinschaft – insb. die Schülerinnen und Schüler – spielen dabei eine wichtige Rolle: Sie kommunizieren, interagieren, verhandeln, üben Druck aus und entscheiden gemeinsam. Keiner der Partner, auch nicht die Schulleitung hat die vollständige Kontrolle über den andern, alle sind auf einander angewiesen11.

Bäckman und Trafford konzentrieren sich auf vier Kernbereiche demokratischer Schulführung:

  • Führung, Leitungsfunktion und Rechenschaft gegenüber der Öffentlichkeit;
  • wertorientierte Bildung;
  • Kooperation, Kommunikation und Teilhabe: Wettbewerbsfähigkeit und Selbstbestimmung;
  • Schülerdisziplin.

Demokratische Schulführung verstehen die Autoren als einen Prozess, den sie in Stufen modellartig darstellen. Ausgangspunkt sind traditionelle Formen der Schulführung, in denen ein Schulleiter weitgehend allein entscheidet, jedoch auch die gesamte Verantwortung schultern muss. Nutzerinnen des Handbuchs können den Entwicklungsstand ihrer Schule innerhalb der vier Kernbereiche an drei EDC/HRE-Prinzipien des Europarats messen:

  • Die Wahrnehmung von Rechten und Pflichten;
  • aktive Partizipation;
  • Wertschätzung von Vielfalt.

1.3.3  Demokratie und Menschenrechte durch eine demokratische Schulführung lehren und lernen

In ihrem Handbuch stellen Bäckman und Trafford ein detailliert ausgearbeitetes Angebot von Werkzeugen zur Verfügung, um Demokratie und Menschenrechte an der Schule zu leben und zu lernen. Die Lernenden können die Erfahrung demokratischer Partizipation in der Schule machen, jedoch bleibt die Schule eine Institution für Bildung und Erziehung. Sie ist kein Staat im Miniformat, wohl aber eine Miniatur-Gesellschaft ist. Sie hat große Bedeutung für die politische Sozialisation der Lernenden im Sinne von EDC/HRE.

9. Dewey, J. (2007): The School and Society. New York, Cosimo, S. 32, spricht von der Schule als einer „embryonic society“.
10. Bäckman, E. und Trafford B. (2008): Demokratische Schulgestaltung in Theorie und Praxis. Straßburg: Europarat. https://www.coe.int/en/web/edc/edc/hre-pack#{%2210618479%22:[]} (Abruf am 18.04.2018). „Schulgestaltung“ verfehlt u.e. den „governance“-Begriff.
11. Ebd., S. 9.