2.1. Das Floßspiel

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Erkenntnisziel

Menschenrechte sind unteilbar. Keinem Menschen kann ein höherer Wert als einem anderen zugesprochen werden.

Wir neigen dazu, Menschen in Stereotypen einzuteilen und mit Vorurteilen zu begegnen

Material Material Kartensatz mit knappen Beschreibungen verschiedener Personen; jede Neunergruppe erhält den gleichen Kartensatz, um Vergleiche zu ermöglichen.
Hinweis

Das Rollenspiel simuliert eine Situation, in der die Mehrheit über Leben und Tod von Anderen entscheidet. Das Rollenspiel birgt großes Lernpotenzial, da es mit großer Eindringlichkeit den Wert und den universalen Geltungsanspruch der Menschenrechte vor erfahrbar macht.

Die Spielsituation modelliert eine polarisierte Gesellschaft. Das Rollenspiel setzt daher eine intakte Klassengemeinschaft voraus, die z.B. mit Sicherheit frei von Mobbing ist und die Lernenden die Spielsituation aushalten können.

Verfahren

Die Lehrperson stimmt die Klasse auf das Spielszenario ein:

Neun Personen treiben in einem Floß auf offener See. Sie wissen nicht genau, wo sie sich befinden. Das Floß ist zu klein, um bei unruhiger See alle tragen zu können. Vier von ihnen müssen es freiwillig verlassen oder ins Meer geworfen werden. Sonst bricht das Floß auseinander, und niemand wird überleben.

Wen also wird es treffen und weshalb?

Es werden Neunergruppen gebildet, die in parallel stattfindenden Rollenspielen darüber verhandeln, wer über Bord gehen muss und wer bleiben darf. Die Lehrperson verteilt an jede Gruppe einen Satz von neun Karten bereitgelegt, die neun Personen knapp charakterisieren. Die Mitglieder einer Gruppe ziehen je eine Karte aus ihrem Kartensatz; ihre Aufgabe besteht darin, im Rollenspiel diese Person darzustellen und argumentieren, weshalb genau diese Person es verdient, auf dem Floß zu bleiben. Die Lernenden sprechen stets in der ersten Person („Ich“). Das Spiel wird intensiviert, wenn die Gruppenmitglieder nicht nur für sich selbst plädieren, sondern auch den Tod anderer Gruppenmitglieder fordern.

  1. Einzelarbeit, Stillarbeit: Die Lernenden bereiten sich auf ihre Rolle vor (ca. 10 Minuten).
  2. Rollenspiel: Die neun Personen auf dem Floß verhandeln über die anstehende Ausschluss-Entscheidung. Nach spätestens zwanzig Minuten muss eine gemeinsame Entscheidung getroffen werden.
  3. Auswertung im Plenum: Die Gruppen vergleichen ihre Entscheidungen und Begründungen.
  4. Reflexion des Rollenspiels mit Impulsfragen der Lernenden oder der Lehrperson, z.B.:
    • Wie ging es mir im Rollenspiel?
    • Welche Stereotypen oder Vorurteile waren in den Verhandlungen erkennbar?
    • Was habe ich gelernt?
    • Welche Bezüge zur Realität sehe ich?

Variationen

Falls die Zahl der anwesenden Lernenden nicht durch 9 teilbar ist, beobachten einige Lernende die Gruppen beobachten und geben Feedback.

Material

Personenbeschreibungen (Beispiele)

Ein 35-jähriger Malermeister, alleinstehend. Er ist aktiv in einer politischen Bewegung. Ein Rom, der eine Haftstrafe im Gefängnis verbüßt hat und vor kurzem entlassen wurde.
Eine Sexarbeiterin. Sie ist HIV-positiv. Eine alte Frau, verwitwet. Mit ihren Ersparnissen bezahlt sie die Reise in ihr Heimatland, um ihren Sohn noch einmal zu sehen.
Ein russischer Pianist, Vater zweier Kinder. Ein englischer Skinhead, betrunken.
Eine 15-jährige Jugendliche, Gewinnerin eines großen Literaturpreises. Ein ehemaliger berühmter amerikanischer Baseballspieler.
Ein Botschafter bei den Vereinten Nationen. Ein Botschafter bei den Vereinten Nationen. Eine junge Mutter mit gebrochenem Bein.
Ein Soldat. Er war im Urlaub und ist nun unterwegs zurück zu seiner Dienststelle.