Sequenz 1: Ein gutes oder ein schlechtes Gesetz?

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Was macht ein gutes Gesetz aus?

Ziele Die Lernenden können die Kriterien, die ein gutes Gesetz ausmachen, erläutern: Gerechtigkeit, Nutzen, Gemeinwohlorientierung, Umsetzbarkeit, Verständlichkeit.
Aufgaben

Die Lernenden erarbeiten aus fiktiven Beispielen für Schulregeln bzw. Gesetze Qualitätskriterien guter Schulregeln bzw. Gesetze.

Die Lernenden abstrahieren von ihren Kriterien Konzepte zur Präzisierung der Qualitätskriterien.

Die Lernenden beurteilen geltende gesetzliche Bestimmungen mit Hilfe der Qualitätskriterien.

Die Lernenden entwerfen eine neue Schulregeln oder gesetzliche Bestimmungen und begründen ihre Notwendigkeit.

Medien und Hilfsmittel

Karte mit dem Buchstaben A in grüner bzw. B in roter Schrift, jeweils ein Klassensatz.

Flipcharts und Marker.

Materialien zu gelten gesetzlichen Bestimmungen und/oder Recherche (Printmedien, netzbasiert).

Methoden Lehrerimpulse, Plenumsdiskussion, Lehrgespräch, Gruppenarbeit, angeleitete oder freie Recherche.

Induktives Lernen: Vom Konkreten zum Abstrakten

Diese Sequenz folgt dem Ansatz des induktiven Lernens. Die Lehrperson geht mit den Lernenden von einem konkreten Beispiel aus und eröffnet ihnen einen Zugang zum Verständnis abstrakter Prinzipien. Die Sequenz beginnt mit solchen Beispielen – in diesem Falle fiktiven Schulregeln und Gesetzen – und die Lernenden versuchen, daraus allgemeine Prinzipien abzuleiten. Mit diesen Prinzipien arbeiten sie weiter, indem sie aus ihnen Kriterien zur Beurteilung der Qualität eines Gesetzes oder einer Regel gewinnen (Rekonkretisierung, Transfer). Sie stellen z.B. folgende Fragen: Ist ein Gesetz bzw. eine Regel fair? Ist es nützlich? Dient es dem Gemeinwohl? Kann die Polizei es durchsetzen? Ist es einfach zu verstehen und zu befolgen?

Verlauf der Sequenz

Die Lehrperson verteilt an die Lernenden je zwei Karten. Ab. Die eine ist mit dem Großbuchstaben A in Grün beschriftet, die andere mit B in Rot.

Die Lehrperson erklärt der Klasse, dass sie fiktive Schulregeln vorlesen wird und dass die Lernenden entscheiden sollen, ob es sich dabei um gute oder schlechte Regeln handelt. Für gute Regeln sollen sie Karte A, für schlechte die Karte B hochhalten.

Die Lehrperson liest die fiktiven Schulregeln der Reihe nach vor. Die Lernenden beurteilen die Regeln wie oben be¬schrieben. Die Regeln könnten lauten wie folgt:

  • Hausaufgaben sind verboten.
  • Mobbing ist verboten.
  • Eltern müssen Schulgebühren bezahlen.
  • Kaugummi ist in der Schule verboten.
  • Schüler und Schülerinnen müssen alle ihre Lehrer und Lehrerinnen mögen.
  • Schüler und Schülerinnen dürfen wählen, welche Fächer sie belegen.
  • Schüler und Schülerinnen dürfen entscheiden, wann sie den Unterricht besuchen.
  • Ältere Lehrpersonen sollten weniger unterrichten müssen.
  • Mobiltelefone sind in der Schule nicht zugelassen.

Bei jeder Regel bittet die Lehrperson zwei oder drei Lernende zu begründen, warum sie sich so entschieden haben – „Warum meinst Du, dass das eine gute bzw. schlechte Regel ist? Die Antworten werden in dieser Phase nicht weiter diskutiert oder kommentiert.

Im nächsten Schritt bilden die Lernenden Gruppen (4 – 6 Mitglieder). Sie erhalten die Aufgabe, Kriterien zu erarbeiten, die eine gute Schulregel ausmachen. Dann die Gruppen halten ihre Ideen schriftlich fest und präsentieren sie anschließend im Plenum.

In einem zweiten Durchgang erarbeitet die Klasse Kriterien, die ein gutes Gesetz ausmachen. Die Lehrperson liest eine Reihe fiktiver gesetzlicher Bestimmungen vor, und die Lernenden beurteilen sie, indem sie die rote oder grüne Karte hochhalten. Die Impulse lauten z.B. wie folgt:

  • Alle Bürger und Bürgerinnen müssen sich zum gleichen Glauben bekennen.
  • Mord ist ein Verbrechen.
  • Lügen ist verboten.
  • Junk food (z.B. Fertiggerichte und fast food) ist verboten;
  • Bürgerinnen und Bürger dürfen selbst entscheiden, auf welcher Straßenseite sie fahren wollen;
  • Frauen und Männer sollen für die gleiche Arbeit gleich bezahlt werden.

In Gruppen versuchen die Lernenden nun, Kriterien zu erarbeiten, die ein gutes Gesetz ausmachen.

Die Gruppen halten ihre Ergebnisse schriftlich fest und stellen sie der ganzen Klasse vor. Im Lehrgespräch erarbeitet die Lehrperson mit den Lernenden aus ihren Beiträgen eine Reihe zentraler Kriterien, die sich auf Gesetze beziehen lassen und dazu beitragen, gute Gesetze zu entwickeln. Falls notwendig führt die Lehrperson die Kriterien im Lehrervortrag ein. Hierzu zählen:

  • Fairness: Gerechtigkeit und Gleichheit, z.B. gleiche Bezahlung für Männer und Frauen;
  • Nützlichkeit: Das Gesetz unterstützt das reibungslose Funktionieren der Gesellschaft, z.B. Regeln zur Sicherheit im Straßenverkehr;
  • Gemeinwohlorientierung: Das Gesetz dient der Gemeinschaft als Ganzes und nicht nur den Interessen bestimmter Gruppen, z.B. der Wohlhabenden;
  • Durchsetzbarkeit: die Mehrheit ist bereit das Gesetz zu befolgen, und die Polizei kann jene dingfest machen, die dagegen verstoßen;
  • Einfachheit: Das Gesetz ist nicht zu kompliziert, sondern einfach zu verstehen und zu befolgen.

Wenn die Klasse sich auf gemeinsame Kriterien geeinigt hat, werden diese auf einem Flipchart festgehalten und im Klassenzimmer aufgehängt. Die Überschrift lautet: „Was macht ein gutes Gesetz aus?“.

Anschließend folgt ein Transfer. Die Lehrperson stellt den Gruppen Materialen zum geltenden Recht in ihrem Land bereit, das auf ihr Verstehensniveau abgestimmt ist: ausgewählte gesetzliche Bestimmungen, ggf. in sprachlich vereinfachter Form oder ein Gesetz im Originalwortlaut (ggf. gekürzt). Als Gesetzesbereich kommen die abgestuften Rechte und Pflichten von Kindern und Jugendlichen oder zum Konsum von Alkohol und Tabak in Frage. Alternativ dazu recherchieren die Lernenden selbst – mit oder ohne Unterstützung durch die Lehrperson.

Die Aufgabe für die Gruppen lautet: Beurteilt die gesetzliche Bestimmung oder das Gesetz mit Hilfe der Kriterien, die ein gutes Gesetz ausmacht. Hinweis: Juristen lesen langsam, denn bei einem Gesetz kommt es auf jedes Wort an.

Gestaltet mit Flipchart und Marker ein Poster für die Präsentation Eurer Ergebnisse im Plenum.

Als Abschlussaufgabe oder Hausaufgabe bietet sich an, dass die die Lernenden ein neues Gesetz oder eine neue Schulregel zu einem von ihnen selbst gewählten Lebens- oder Problembereich (z.B. Umweltschutz) entwerfen und mit Hilfe der vorher definierten Kriterien die Notwendigkeit dieser Vorschrift begründen.