7.4 Das Planungsprojekt

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Ziele

Die Lernenden verstehen, dass in gesellschaftlichen Veränderungsprozessen alle Mitglieder der Gesellschaft aufeinander angewiesen sind (Interdependenz).

Die Lernenden verstehen, dass jede politische Entscheidung alle Mitglieder der Gesellschaft betrifft. Wenn also eine politische Entscheidung akzeptiert und unterstützt werden soll, müssen sie alle Mitglieder der Gesellschaft nachvollziehen können und die Chance haben, sich am Entscheidungsprozess zu beteiligen (Legitimation durch Verfahren).

Material

Die Lehrperson beschafft oder erarbeitet die Beschreibung eines realen oder fiktiven Planungsprojekts in der Kommunalpolitik, möglichst in der Umgebung der Lernenden. In der Projektbeschreibung sollten mehrere Problembereiche erfasst werden, z.B. soziale, wirtschaftliche, demografische, ökologische, verkehrspolitische oder finanzielle Probleme.

Die Lehrperson bereitet Rollenkarten für die Lernenden vor. Im Materialteil ist ein Kartenset skizziert, das als Anhaltspunkt dienen kann, wie ein reales Planungsprojekt in einem Entscheidungsspiel simuliert werden kann.

Vorbemerkung für die Lehrperson

Mit diesem Entscheidungsspiel sind mehrere Ziele realisierbar. Die Lehrperson entscheidet über die Auswahl der Ziele (didaktische Reduktion):

  1. Die Lernenden entwickeln die Bereitschaft, sich unterschiedliche Standpunkte und Interessen anzuhören und sie zu verstehen, unabhängig davon, ob sie mit ihnen einverstanden sind oder nicht.
  2. Die Lernenden können die unmittelbaren und verdeckten Konsequenzen unterschiedlicher Optionen in einem Entscheidungsfindungsprozess antizipieren und berücksichtigen.
  3. Die Lernenden erfahren das demokratische Verfahren der Entscheidungsfindung. Dabei kommt es auf die Balance zwischen Partizipation und Effizienz an, d.h. alle Beteiligten sollten gehört werden, jedoch muss die Zeit für jeden einzelnen Beitrag und den Entscheidungsprozess insgesamt in angemessener Weise begrenzt werden.
  4. Grundeinsicht: In einer offenen, lernenden Gesellschaft wird das Gemeinwohl nicht von der politischen Führung vorgegeben, sondern gemeinsam erarbeitet und ausgehandelt. Getroffene Entscheidungen sind temporär und können korrigiert werden, falls neu auftretende Probleme dies erfordern.

Der Lernertrag eines handlungsorientierten Szenarios wie dieses Entscheidungsspiels wird in der Auswertungs- und Reflexionsphase gesichert. In einem ersten Schritt distanzieren sich die Lernenden von ihren Rollen und benötigen die Chance, ihre Gefühle zu artikulieren (debriefing; mehr dazu in Band IV dieser Handbuchreihe, Material für Lehrpersonen 4.4: Auswertung von Simulationsspielen).

Verfahren

  1. Die Lernenden bilden Zweierteams. Jedes Team erhält das Handout zur Projektbeschreibung und eine Rollenarte. Ein Zweierteam moderiert die anschließende Debatte.
  2. Vorbereitung: Aus der Perspektive des Akteurs bzw. der Akteurin, deren Rolle die Teams verkörpern, stellen die Teams die Chancen und Probleme zusammen, die sie im Planungsprojekt erkennen.
  3. Jedes Team einigt sich auf eine begründete Stellungnahme für oder gegen das Projekt (15 Mi-nuten)
  4. Im Plenum erhält jedes Team das Wort, um seine Position darzulegen und zu begründen.
  5. In einer Debatte tragen die Teams ihre Forderungen vor. Sowohl die Redezeit als auch die Dauer der Debatte wird begrenzt.
  6. Abschließend stimmen die Lernenden darüber ab, ob das Projekt realisiert werden soll.

Auswertung und Reflexion

Die Lehrperson moderiert das Klassengespräch. Mögliche Impulse:

  1. Wie ging es euch in diesem Entscheidungsspiel?
  2. Gab es kritische Situationen und Spannungen zwischen den Beteiligten?
  3. In welchem Verhältnis standen die Interessen der Gruppen zueinander?
  4. Inwieweit wurde eure Meinungsbildung durch andere beeinflusst?
  5. Gibt es Gruppen, deren Meinungen mehr Gewicht haben sollten?
  6. Konnten sich alle Gruppen Gehör verschaffen?
  7. Ist die Lösung, für welche die Mehrheit gestimmt hat, die beste Lösung für die gesamte Gesellschaft – entspricht sie dem Gemeinwohl, so dass die überstimmte Minderheit sie akzeptieren kann?

Erweiterung

  1. Einzelne Schüler und Schülerinnen spielen eine Rolle ohne die Unterstützung eines Partners.
  2. Die Lernenden spielen Experten bzw. Expertinnen, die zu einzelnen Aspekten des Projekts Stellung nehmen.
  3. Ein Teil der Klasse übernimmt die Rolle der Jury oder des Gemeindeparlaments, die über das Projekt entscheiden. An dieser Entscheidung sind keine Interessenvertreter und -vertreterinnen beteiligt.
  4. Zwei oder drei Lernende agieren im Auftrag der Medien. Sie beobachten den Diskussionsprozess und kommentieren ihn. Sie geben Feedback zum Entscheidungsprozess und dem Auftritt der einzelnen.
  5. Falls ein realer Entscheidungsprozess simuliert im Entscheidungsspiel simuliert wird, können politische Akteure und Akteurinnen und Medienvertreter und –vertreterinnen zu einer Diskussion mit den Lernenden eingeladen werden.
  6. Mit dieser Methode lässt sich ein realer Entscheidungsprozess an der Schule simulieren.

Material: Rollenkarten

Jede Rollenkarte enthält die gleichen Denkanstöße wie Karte 1, die den Lernenden helfen sollen, ihre Rolle zu bestimmen:

  1. Du bist eine Lehrerin/ein Lehrer:
    • Begründe, weshalb du das Projekt unterstützt oder ablehnst.
    • Begründe, ob Du mit Problemen rechnest.
  2. Du besitzt einen Kleinbetrieb.
  3. Du arbeitest in einem Klinik.
  4. Du arbeitest bei den städtischen Entsorgungsbetrieben.
  5. Du arbeitest als Busfahrer bzw. Busfahrerin.
  6. Du bist vor kurzem aus einer anderen Region oder einem anderen Land zugezogen und suchst jetzt Arbeit.
  7. Ihr seid ein paar junge Leute und arbeitet in der Nachbargemeinde.
  8. Du bist im Management eines kleinen Unternehmens.
  9. Du bist ein Kommunalpolitiker bzw. eine Kommunalpolitikerin.
  10. Usw. …

Literatur

Heinz Klippert (2016): Planspiele10 Spielvorlagen zum sozialen, politischen und methodischen Ler-nen in Gruppen. 5. Auflage, Weinheim und Basel: Beltz-Verlag.

Klippert bietet in diesem Band zehn ausgearbeitete Vorlagen zu Plan- bzw. Entscheidungsspielen an, die im Kommunalbereich angesiedelt sind. Lehrpersonen erhalten Anregungen und Orientierung zur Gestaltung der Projektmaterialien und zur Integration im Unterricht.