Einheit 1: Stereotype und Vorurteile

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Was ist Identität? Wie nehme ich andere wahr, wie nehmen sie mich wahr?

Wer bin ich eigentlich? Jeden Tag begegnen Lernende einer Vielfalt unterschiedlicher Wertvorstellungen und Formen des Zusammenlebens. Um ihre eigene Position zu finden, müssen sie die Fähigkeit entwickeln, zwischen derartigen Alternativen auszuwählen. So müssen sie sich entscheiden: Was darf ich tun, was nicht? Was ist richtig, was ist falsch? Kinder und Jugendliche begreifen sehr bald, dass derartige Fragen nicht einfach zu beantworten sind. Was im einen Fall richtig sein mag, kann in einem anderen falsch sein. Wie kann ich mich entscheiden? Welche Leitlinien habe ich?

Die Verfassung und der Schutz der Menschenrechte im Staat, in dem wir leben, können solche Leitlinien liefern, und sie bestimmen die Voraussetzungen, ob und inwieweit sich eine Vielfalt von Wertvorstellungen in einer pluralistischen Gesellschaft entwickeln kann. Im Wertepluralismus kommt das grundlegende Menschenrechts-Prinzip der persönlichen Freiheit zur Geltung, dem zu Folge jeder Einzelne das unveräußerliche Recht hat, seine Persönlichkeit bzw. seine Identität frei zu entwickeln in einer Kultur der gegenseitigen Anerkennung und Verantwortung. Die Orientierung an Prinzipien der Demokratie und Menschenrechte stärkt die Gesellschaft, in der diese Person lebt, und das gleiche gilt potenziell für die Menschheit der „einen Welt“. Wenn wir alle unsere Meinung und Interessen artikulieren, werden Gegensätze und potenzielle Konflikte zu Tage treten. Damit können wir gemeinsam umgehen, wenn wir uns auf Verfahrensformen und Regeln geeinigt haben, die es möglich machen, Meinungsverschiedenheiten und Konflikte friedlich – d.h. gewaltfrei und in einer Kultur gegenseitiger Anerkennung – auszutragen.

Das Recht für Kinder und Jugendliche, ihre Identität frei zu entfalten, birgt für große Chancen, mutet ihnen allerdings auch zu, Ungewissheiten und Ambivalenzen zu ertragen und Fehlentscheidungen zu verarbeiten. In der Schule sollten sie daher erfahren, dass es Erwachsenen nicht anders ging, als sie jung waren und sich den grundlegenden Fragen nach der Bestimmung ihrer Identität, Berufs- und Partnerwahl stellten. Sie sollten auch wissen, dass sich Erwachsene laufend mit Herausforderungen und Problemen auseinandersetzen müssen, denen sie vorher nicht begegnet sind. Lehrpersonen sollten gegenüber ihren Schülerinnen und Schülern nicht vorgeben, sie verfügten über den Schlüssel zur absoluten Wahrheit, sondern ihnen vorleben, dass sie wie alle Menschen Fehler machen und sie versuchen wollen, aus diesen zu lernen. Dazu gehört, dass Lehrpersonen bereit sind, sich von ihren Lernenden auf Fehler hinweisen zu lassen.

Die vorliegende Unterrichtseinheit thematisiert einige Aspekte der Identitätsentwicklung eines jungen Menschen und erweitert die Perspektive mit der Frage, wie Menschen und Gruppen sich selbst und andere wahrnehmen. Die Lernenden sollen dabei verstehen, dass ihre Identität sowohl durch sie selbst als auch durch die Interaktion mit anderen definiert wird. Das bedeutet, dass Menschen ihre Identität durch die Betonung der Unterschiede zu Anderen definieren, jedoch auch ihrem Bedürfnis folgen, ihre Identität in ihrer Beziehung zur Familie oder einer Peergroup zu erfahren und von dieser beschützt zu werden. Junge Leute werden sich selbst besser verstehen, wenn sie ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse, ihre persönliche Entwicklung und ihre Wünsche für die Zukunft wahrnehmen und zu ergründen versuchen. Soziale Interaktion ermöglicht ihnen, unterschiedliche Verhaltensformen zu erproben. Auf diese Weise können sie ihr Repertoire konstruktiver Interaktionsformen weiterentwickeln.

Die politische Kultur einer Gesellschaft ist auch geprägt vom „kollektiven“ Gedächtnis, in dem historische Erfahrungen bewahrt, teils auch beschwiegen und – kontrovers – gedeutet werden. Erfahrungen der Eltern- und Großelterngeneration können auch die später geborene Generation, also die heutige Schülergeneration, in ihrem Verhalten beeinflussen. Lehrpersonen sollten daher ihre Lernenden in EDC/HRE darin unterstützen, sich derartiger Einflüsse bewusst zu werden. Sie sollten kritisch ihre eigenen Meinungsäußerungen als auch die Anderer darauf überprüfen, ob Vorurteile, Stereotype oder irrationale Denkmuster auftauchen, die auch die öffentliche Meinungsbildung beeinflussen können. Sind. Nur wer sich derartiger subtiler Einflussformen bewusst wird, hat die Chance, kritisch mit ihnen umzugehen.

Ziele dieser Einheit

In die nachfolgenden Sequenzen werden die Schüler und Schülerinnen

  • eingeführt in Konzepte der Stereotypenbildung sowie die Entstehung von Vorurteilen;
  • erkennen, dass wir ständig Individuen und Gruppen gewisse Eigenschaften zuschreiben;
  • verstehen, dass uns solche Zuschreibungen helfen, mit der Komplexität unsere Alltagserfahrungen fertig zu werden;
  • erkennen, dass solche Zuschreibungen schädlich und unfair sein können;
  • lernen, dass Zuschreibungen die Bildung individueller und gruppenspezifischer Identitäten unterstützen;
  • lernen, dass Identitäten komplex sind und deshalb jede Person entsprechend differenziert verstanden und beschrieben werden kann und muss.
  • Es handelt sich dabei um eine sehr effiziente Form aktiven Lernens, nämlich „Learning by Doing“.ly.

 

Einheit 1: Stereotype und Vorurteile

Was bedeutet Identität? Wie nehme ich andere wahr, wie nehmen sie mich wahr?

Thema Ziele Aufgaben Medien und Hilfsmittel Methoden

Sequenz 1:

Wie Andere einen Menschen wahrnehmen

Die Lernenden machen die Erfahrung, wie komplex Perspektiven auf einen Menschen sind. Sie wählen ihre Perspektive. Die Lernenden erhalten spezifische Rollen zugewiesen und bilden sich ihre Meinung. Sie lernen, die Perspektive zu wechseln. Rollenbeschreibungen im Handout 1.1 (drei Versionen), Flipcharts, Marker. Rollenspiel, Gruppenarbeit.

Sequenz 2:

Wie eine Person auf ganz unterschiedliche Weise beschrieben werden kann

Die Lernenden erkennen, dass unterschiedliche Darstellungen sich auf ein und dieselbe Identität eines Menschen beziehen können.

Die Lernenden erkennen, dass die Unterrichtseinheit ohne ihre Teilnahme und ihre Beiträge nicht weitergeführt werden kann.

 

Die Lernenden proben und führen kurze Rollenspiele vor und sie präsentieren die Ergebnisse ihrer Gruppenarbeit. Sie reflektieren die Szenen, die sie gesehen haben und diskutieren darüber. Die Ergebnisse der ersten Sequenz (geprobte Rollenspiele und die Listen der Adjektive auf den Plakaten) werden zum Material für die zweite. Rollenspiele, Präsentationen und angeleitete Klassendiskussion (Lehrgespräch).

Sequenz 3:

Stereotype und Vorurteile

Die Lernenden verstehen, wie Stereotype und Vorurteile zusammenhängen und wie sie zu vereinfachten, auch unfairen Vorstellungen über Individuen, Gruppen von Menschen und ganze Länder führen können. Die Lernenden entwickeln Hypothesen, welche Stereotypen und Vorurteile über bestimmte gesellschaftliche Gruppen oder Länder produziert werden und versuchen die Ursachen zu erklären. Papier, Filzstifte Gruppenarbeit, Plenumsdiskussion

Sequenz 4:

Stereotype und Vorurteile über mich selbst

 

 

 

 

 

 

Die Lernenden werden sich bewusst, wie sie von anderen wahrgenommen werden und lernen, dies zu akzeptieren.

Sie verstehen besser, wie Andere sie wahrnehmen und auf sie reagieren. Sie werden sich bewusst, wie ihre Identität auf andere wirkt.

Die Lernenden sammeln Begriffe zur Beschreibung einer Person.

Die Lernenden beschreiben sich selbst und einen Lernpartner/eine Lernpartnerin und vergleichen ihre Ergebnisse.

Flipcharts, Marker, Schüler-Handout 1.2

Schreibgespräch,

Partnerarbeit,

Auswertung im Plenum